Abgelehnte Asyl-Lehrlinge werden nun doch abgeschoben

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Aus einen internen Arbeitspapier des Innenministeriums geht hervor, dass es für abgelehnte Asyl-Lehrlinge keine Sonderregelung geben soll. Bundeskanzler Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Strache bestätigen den Plan.

Das Innenministerium wird bei der Abschiebung von Flüchtlingen definitiv keine Ausnahmen für Lehrlinge machen. Das geht aus einem internen Arbeitspapier hervor, dessen Echtheit das Ressort nun bestätigt hat. Demnach werde es - nach "Prüfung der Optionen" - keine Sonder- oder Ausnahmeregelungen geben. Dies sei auch mit dem Koalitionspartner ÖVP akkordiert.

Tatsächlich bestätigten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch vor dem Ministerrat das Vorgehen. Beide spielten den Ball weiter an die Gerichte und betonten, es stehe den Richtern frei, betroffenen Lehrlingen humanitäres Bleiberecht zu geben.

Kurz betonte, die Regierung habe eine "akkordierte Regelung" gefunden, Asyl von der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu trennen. Dafür soll künftig ein eigener Aufenthaltstitel für Lehrlinge geschaffen werden. Konkret kündigte die Regierung an, Jugendlichen, die in Österreich einen Pflichtschulabschluss machen dürfen, die Möglichkeit zu geben, auch eine Lehre zu absolvieren. Dies soll Teil eines Zuwanderungspaketes sein, das am Mittwoch beschlossen werden soll. Auch eine Regionalisierung der Mangelberufsliste soll geschaffen werden.

"Sonderlösung" von Regierung nicht gewünscht

Die Regierung hatte nach ihrem Beschluss, die Lehre für Asylwerber abzuschaffen, angekündigt, Ausnahmen für jene zu prüfen, die bereits in Ausbildung sind. Bereits in einem Lehrverhältnis stehende Flüchtlinge sollten so etwa bis zum Abschluss ihrer Ausbildung vor einer Abschiebung geschützt sein. "Jene Asylwerber, die jetzt schon eine Lehre machen, können diese fortsetzen, im Fall eines negativen Bescheids sind die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, ob er die Lehre fertig machen kann, bevor er das Land verlässt", hieß es in der Punktation der Regierung Ende August. Das Innenministerium erteilt diesen Ankündigungen nun eine Absage. Dabei beruft man sich auf das im Ressort erstellte Arbeitspapier.

"Jede Sonderlösung für Lehrlinge, die ein gesichertes Bleiberecht bis zum Ende des Lehrverhältnisses enthält, wäre ein Präzedenzfall, der weitere Forderungen für Ausnahmen nach sich ziehen würde", wird die Ablehnung einer Ausnahmeregelung im Ministeriums-Bericht begründet. Zudem wäre es schwer zu rechtfertigen, warum dann nicht auch Menschen in anderen Ausbildungsverhältnissen, wie Schule und Universität, kein Bleiberecht erhalten würden, so die Argumentation.

Zudem wäre bei jeder Sonderlösung für Lehrlinge die gesamte Familie der Betroffenen mitumfasst, merken die Juristen im Innenministerium weiters an. Eine Trennung bei der Außerlandesbringung wäre nämlich in vielen Fällen mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem "Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens", unvereinbar.

Geprüft und zugleich negativ bewertet wurde neben der "Sonderduldung" etwa auch die Möglichkeit eines humanitären Aufenthaltstitels. Dies wäre "nahezu denkunmöglich", da dies ja bereits im Asylverfahren geprüft wird. "Keine Option" ist auch die Rückreihung der Asylanträge von Lehrlingen in der ersten Instanz. Ebenso ein "Zuwarten mit der Abschiebung", das laut internem Papier "Amtsmissbrauch" darstellen würde.

Kickl forderte "konsequente Abschiebepolitik"

"Personen mit einer rechtskräftigen negativen Entscheidung sind ausreisepflichtige Fremde", lautet die nüchterne Stellungnahme aus dem Innenministerium zur Entscheidung. Eine Lehrstelle könne daher "nicht per se eine aufschiebende Wirkung oder gar ein Aufenthaltsrecht im Asylverfahren bewirken". Daraus ein weiteres Aufenthaltsrecht trotz negativen Asylbescheids abzuleiten, führe "jedes sorgfältig durchgeführten Asylverfahren ad absurdum".

Die nun feststehende Linie kommt nicht überraschend. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte sich bereits zuvor mehrfach dafür ausgesprochen, Asylwerber, auch wenn diese eine Lehre absolvieren, bei einer rechtskräftig negativen Entscheidung abzuschieben. Eine "konsequente Abschiebungspolitik" sei "rechtsstaatlich notwendig", meinte Kickl.

"Wirklich pure Ideologie"

Kritik gab es zunächst von der neuen Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Ich glaube, das ist wirklich pure Ideologie", sagte sie am Mittwoch bei ihrer Antrittspressekonferenz. Die Maßnahme schade zudem den betroffenen Betrieben sowie der Wirtschaft allgemein. Sie verwies auf Deutschland, wo mit der "Drei plus zwei"-Regel - drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre im Job - auch eine Lösung im Sinne der Betroffenen gefunden worden sei.

Auch die Neos schlugen in einer Aussendung abermals vor, sich an das deutsche Modell zu halten. "Die Regierung schafft es weder schnellere Asylverfahren zu gewährleisten, noch eine akzeptable Nachfolgeregelung zur Beschäftigung von Asylwerbenden zu finden", kritisierte Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. Man verdamme Asylwerber "endgültig zum Nichtstun".

"Die schwarz-blaue Regierung führt ihre hirn- und herzlose Politik mit trauriger Hartnäckigkeit gegen alle Stimmen der Vernunft und Menschlichkeit aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und sogar aus den eigenen Reihen fort", sagte die integrationspolitische Sprecherin der Liste Pilz, Alma Zadic.

Christian Moser, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf, kritisierte die Entscheidung ebenfalls: "Dass die Regierung nun - anders als angekündigt - auch junge Asylwerber, die bereits eine Lehrstelle haben, abschieben will, ist weder menschlich noch wirtschaftlich nachvollziehbar." Er spricht sich überhaupt für die Beibehaltung der Lehre für Asylsuchende in Mangelberufen aus.

(APA)

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