Krankenkassen: ÖGB warnt vor "Raubzug" gegen Arbeitnehmer

Wolfgang Katzian
Wolfgang KatzianAPA/HERBERT NEUBAUER
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Die Gewerkschaft befürchtet Selbstbehalte und Privatisierungen und kündigt "Widerstand auf allen Ebenen" an.

Nach dem 12-Stunden-Tag sieht der Gewerkschaftsbund
in der geplanten Sozialversicherungsreform den nächsten Angriff auf
die Arbeitnehmer durch die Regierung. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian
sprach bei einer Pressekonferenz am Freitag von einem "Raubzug" und
"Katastrophe" für die Arbeitnehmer und kündigte Widerstand auf allen
Ebenen an.

"Die heute präsentierten Pläne sind ein Generalangriff auf die
Patienten und die Versicherten". Das Gesundheitssystem und die
Sozialversicherungen würden "an die Wand" gefahren. "Wir machen uns
große Sorgen", so Katzian. Der Gewerkschaftsbund hält mehrere Punkte
des Regierungsvorhabens für verfassungswidrig und will dagegen
rechtlich auf allen Ebenen ankämpfen. Die Frage einer etwaigen
Verfassungsklage lässt sich der ÖGB aber noch offen. Es gebe viele
Möglichkeiten, eine solche auf den Weg zu bringen.

Katzian warnte vor einer "drittklassigen Medizin" für sieben
Millionen Versicherte. Öffentlich Bedienstete, Selbstständige und
Unternehmer behalten ihre eigenen Versicherungen mit besseren
Leistungen, währen der dritten und größten Gruppe der Arbeitnehmer,
Pensionisten und deren Angehörigen das Geld entzogen werde. Über die
Arbeitnehmer entscheiden künftig nicht wie bisher Repräsentanten der
Arbeitnehmer, sondern die Wirtschaft, weil diese die Mehrheit in den
Gremien bekomme.

"Die Wirtschaft erhält eine Machtfülle über die Arbeitgeber, die
ihr so nicht zusteht." Das werde zu Selbstbehalten und
Privatisierungen führen, "das wissen wir, weil wir die Programme
jener, die jetzt die Macht bekommen, kennen", warnte Katzian und
sprach von einem "Raubzug". Zudem würden sogenannte schlechte
Risiken wie Arbeitslose, Mindestsicherungsbezieher und Flüchtlinge
in der Sozialversicherung von den Arbeitnehmern allein geschultert,
Beamte, Unternehmer und Selbstständige zahlen hier nicht mit. "Mir
fehlen die Worte, ich will nicht ausfällig werden", zeigte sich
Katzian erbost.

Auch die versprochenen Einsparungen hält er für unrealistisch.
"Patientenmilliarde, was ist das? Ich kann Ihnen sagen: das ist ein
Geschichterl", so Katzian. Einsparungen von einer Milliarde ohne
Leistungskürzungen seien nicht darstellbar. Vor dem
"Rechenkünstler", der das zustande bringt, "würde ich mich in
Ehrfurcht verneigen".

Der ÖGB-Präsident warnte auch vor einem gefährlichen Verlust der
Balance zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Arbeitgeber
bekommen die Oberhand und die Selbstverwaltung werde ausgehebelt.
"Wir wollen nicht, dass das aus dem Ruder läuft", kündigte Katzian
rechtliche Schritte und Allianzen gegen die Pläne der Regierung an.
Die geplante Reform enthalte mehrere Punkte, "die in tausend Jahren
nicht vor dem Verfassungsgerichtshof halten".

Er beklagte zudem das Eiltempo, in dem die Regierung die Reform
durchpeitschen wolle und die Nichteinbindung der Sozialpartner. Man
sei zu einem "freundlichen Gespräch" eingeladen worden.
Verhandlungen über die Inhalte habe es aber nicht gegeben. "Beim
sogenannten Sozialversicherungs-Gipfel mit der Regierungsspitze
wurde vereinbart, die Unterlagen vorab zu bekommen und in
Verhandlungen einzutreten. Zwar wurden die entsprechenden Papiere
übermittelt und von uns genau durchgearbeitet, von einer Verhandlung
auf Augenhöhe kann aber keine Rede sein. Wir durften zwar unsere
Kritikpunkte äußern, echte Verhandlungen haben aber nicht
stattgefunden."

(APA)

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