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BVT-Causa: Staatsanwaltschaft erhebt erstmals Anklage

Die Presse/Clemens Fabry
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Drei Personen wurden zu drei Themenbereichen angeklagt. Es geht um die Observation der nordkoreanischen Botschaft, Spesenrechnungen und eine Daten-Abfrage. Die Vorwürfe haben allesamt nichts mit den ursprünglichen Begründungen für die Hausdurchsuchung zu tun.

Zweieinhalb Jahre nach der Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wurden nun drei potenzielle Schuldige gefunden: Der Spionageabwehrchef, sein Schwiegervater und ein Mitarbeiter der Abteilung. Es geht um drei Themenbereiche: Die Rechtmäßigkeit der Observationen der nordkoreanischen Botschaft. Eingereichte Kaffeehausrechnungen - und die Rechtmäßigkeit einer Datenabfrage für einen Verwandten. Mit den ursprünglichen, genannten Gründen hat das nichts zu tun. Die Anklage steht auf dünnen Beinen.

Die Aufarbeitung der BVT-Causa mit etlichen Zufallsfunden hat Millionen Euro und viel Zeit gekostet. Was von den massiven Vorwürfen bleibt, ist allerdings nicht viel. Im ersten Themenbereich, in dem die Staatsanwaltschaft Anklagen erhebt, geht es um eine Observation der nordkoreanischen Botschaft. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stellt ihre Rechtmäßigkeit infrage. Der Vorwurf gegen den ehemaligen Spionageabwehrchef und einen Mitarbeiter: Nordkoreanische Bürger seien in ihren subjektiven Rechten verletzt worden. Dazu komme, dass die Observation dem Rechtsschutzbeauftragten des Innenressorts nicht zur Genehmigung vorgelegt wurde. Nur: Die Observation wurde im Nachhinein gemeldet, was prinzipiell auch zulässig ist. Weiters hat Österreich auch völkerrechtliche Verpflichtungen, zu kontrollieren, ob Sanktionen gegen das kommunistische Regime Nordkorea auch eingehalten werden. Ob hier Augenmaß und Ziel noch gestimmt haben, wird soll am Wiener Landesgericht geklärt werden. Das Los des Richters hat Christoph Zonsics gezogen, der auch in der Burgtheater-Causa Recht sprach.

Die Kaffeehausrechnungen

Dem Spionagechef wird außerdem Betrug vorgeworfen. Er soll private Termine dienstlich verrechnet haben. Die WKStA hat monatelang einzelne Rechnungen überprüft und etliche Zeugen vorgeladen. Nun geht es um eine Schadenssumme von 1100 Euro. Der Anwalt des Beklagten, Otto Dietrich, sagt, man habe sich verrechnet, es sei weniger. Vor Gericht werden dazu einige Polit-Prominente Auskunft geben müssen, ob es sich um dienstliche oder private Gespräche gehandelt hat. Darunter Volksanwalt Werner Amon oder der Kurz-Vertraute und Nationalratsabgeordnete Axel Melchior.

Und dann wäre da noch die Sache mit einer angeblich unrechtmäßigen Datenabfrage. Der Schwiegervater des Spionageabwehrchefs besitzt mehrere Zinshäuser in Wien. Ein Mieter war ihm negativ aufgefallen, hat Terrorsymbole in der Wohnung wahrgenommen. Das hat er seinem Schwiegersohn erzählt - weil immerhin arbeitet der beim BVT. Der hat das in einen Akt gegossen und den zuständigen Kollegen, die mit Terrorbekämpfung befasst sind, weitergeleitet. Und dann gab es noch eine Datenabfrage rund um eine dubiose Einladung des Schwiegervaters nach Russland - der war übrigens Chef einer kleinen Partei.  Oberstaatsanwalt Wolfgang Handler - berühmt geworden durch den Tierschützerprozess - vermutet aber Amtsmissbrauch beim Spionageabwehrchef und Anstiftung dazu bei dem Schwiegervater. Auch Geheimnisverrat ist ein Thema, das vor einem Richter geklärt werden soll.

Reinwaschung des BVT

Keiner der zur Anklage gebrachten Themenbereiche hat übrigens etwas mit den ursprünglich genannten Gründen für die Hausdurchsuchung am 28. Februar 2018 zu tun. Da ging es um den Verdacht der illegalen Datenaufbewahrung von Gabriel Lansky, gegen den in der Alieyev-Causa ermittelt wurde. Der Verdacht konnte sich nicht erhärten, es wurde eingestellt. Es ging um den Vorwurf, dass Südkorea nordkoreanische Passmuster übergeben wurden, die in Österreich gedruckt wurden - es zeigte sich, dass das ein völlig normaler Vorgang war. Und dann warf man dem Spionageabwehrchef noch vor, etliche Daten gehörtet zu haben. Der neigt zwar tatsächlich dazu, wie die Auswertung seines Handys und seines Computers zeigten - er hatte etliche Personen mit Adresse und Geburtstag eingespeichert - illegal war daran aber nichts. All diese Vorwürfe fußten auf einem anonymen Pamphlet mit Vorwürfen gegen das Innenressort und das BVT sowie falschen Zeugenaussagen.

Die Hausdurchsuchung und der unsensible Umgang der WKStA mit Daten von Partnerdiensten hatte Österreich im nachrichtendienstlichen Bereich in eine große Vertrauenskrise gebracht. Bis heute ist man mit der Aufarbeitung und der Reanimation des Amtes beschäftigt - dass auch nach intensiver Durchleuchtung durch die Justiz, etlicher Zufallsfunde und Prüfung vieler Vorwürfe nicht mehr als diese Anklagen übrig geblieben ist, sollte der Wiederherstellung des Rufes dienlich sein.

Dietrich sieht der Verhandlung vor Gericht jedenfalls gelassen entgegen: „Man klagt eben aus Verlegenheit irgendetwas an, ich bin da aber entspannt. Es ist außerdem höchste Zeit, dass sich ein unabhängiges Gericht die Arbeit der Staatsanwaltschaft ansieht“, sagt er. Die Anklagen würden auf einem völlig falschen Verständnis von nachrichtendienstlicher Tätigkeit fußen und man sei froh, hier einiges Erläutern zu können. „Außerdem hoffe ich, dass Aktenteile, die meinem Mandanten vorenthalten werden, endlich vom Gericht herbeigeschafft werden."

Wann die Verhandlungen beginnen, ist noch unklar.

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