SPÖ-Chef Christian Kern wird Spitzenkandidat bei EU-Wahl

SPÖ-Chef Christian Kern verkündet seine politische Zukunft.
SPÖ-Chef Christian Kern verkündet seine politische Zukunft.(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Heute Abend versammelt Ex-Bundeskanzler Christian Kern alle Landesparteichefs um sich. Er will Spitzenkandidat der SPÖ bei den EU-Parlamentswahlen im Mai werden und spätestens danach den Parteivorsitz abgeben.

Es war dann ein doppelter Paukenschlag: Wie die "Presse" aus SPÖ-Kreisen erfahren hat, will sich Parteichef Christian Kern als SPÖ-Vorsitzender zurückziehen. Am Abend dann die offizielle Bestätigung: Kern wird sich allerdings nicht gänzlich aus der Politik zurückziehen, sondern im Mai 2019 bei der Wahl des EU-Parlament als Spitzenkandidat der SPÖ antreten und erst danach den Vorsitz der Partei abgeben, das gab Kern bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Parteizentrale am Dienstagabend bekannt. Danach stand ein Treffen mit allen roten Landesparteichefs auf dem Programm. Morgen wird Christian Kern auch in Salzburg mit den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Regierungs- und Parteichefs in der EU zusammenkommen.

Kern erklärte in seinem kurzen Statement die EU zur Priorität. Er wolle dafür sorgen, dass dieses Europäische Erbe bewahrt bleibt - im Angesicht der "Orbáns, Kaczynskis und Salvinis". Er zählte aber auch seine Leistungen als Parteichef zu Beginn des Statements auf: Die Beilegung des internen Migrationspolitik-Streits, das neue Organisationsstatut, die personelle Erneuerung. Die Wahl zum EU-Parlament findet am 26. Mai 2017 statt.

Wer wird Nachfolger?

Es bleibt also noch ein wenig Zeit, die Nachfolge zu ordnen. Logische Nachfolger an der SPÖ-Spitze wären Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, Nationalratspräsidentin Doris Bures und Burgenlands SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil. Doch Kaiser will nicht, hat das intern auch schon deponiert. Auch Doskozil will lieber wie geplant Landeshauptmann im Burgenland werden. Daher versuchen die maßgeblichen SPÖ-Führungskräfte nun Doris Bures zu überreden, den Parteichefposten zu übernehmen. Ob Bures dies macht, ist ungewiss. Dem Vernehmen nach würde sie lieber Bundespräsidentschaftskandidatin der SPÖ werden.

In der SPÖ herrscht Ratlosigkeit. Kerns Rückzug kam so kurzfristig, dass er damit weite Teile seiner Partei völlig überraschte. Zwar war mit einem Abgang Kerns gerechnet worden – allerdings erst, nachdem ein Nachfolger in Sicht ist bzw. aufgebaut worden wäre. Vor Kerns Statement und der Bekanntgabe der EU-Kandidatur forderten einige in der SPÖ Wien, dass Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser interimistisch übernimmt. Ein Genosse dazu: „Er hat uns diese Suppe eingebrockt, er soll sie nun auslöffeln.“

Zur Person

Christian Kern, geboren am 4. Jänner 1966 in Wien. Vier Kinder aus zwei Ehen. Studierter Kommunikationswissenschaftler. Ab 1991 Assistent des damaligen Staatssekretärs Kostelka, ab 1994 dessen Büroleiter als Klubobmann. 1997 Wechsel in den Verbund, ab 2007 dort Vorstandsmitglied. Ab Juni 2010 Chef der ÖBB sowie ab 2014 Vorsitzender der Gemeinschaft europäischer Bahnen.

Von 17. Mai 2016 bis 18. Dezember 2017 Bundeskanzler, seit 25. Juni 2016 SPÖ-Vorsitzender. Seit 2018 als Oppositionsführer im österreichischen Parlament.

Kern, der Hoffnungsträger der SPÖ

Christian Kern hatte das Amt des Bundeskanzlers von Werner Faymann im Mai 2016 übernommen. Dieser war beim Maiaufmarsch ausgepfiffen worden, Kern galt nun als der Hoffnungsträger der SPÖ. Als früherer ÖBB-Chef sollte er Kompetenz in Wirtschafts- und sozialen Fragen vereinen. Er will mit allen reden, mit der ÖVP besser regieren, auch gegenüber der FPÖ kündigt sich ein Ende der roten Eiszeit an. Sein Weg in die Politik sei ein „Projekt für zehn Jahre“ kündigt Kern an. Im Juni 2016 wird er mit 96,8 Prozent der Delegiertenstimmen zum SPÖ-Chef gewählt.

Mit seinem Plan A, den Kern im Jänner 2017 in Wels präsentierte, wollte er Österreich verändern. Doch der Anfangselan von Kerns Regierung gerät schnell ins Stocken, schon Ende Jänner 2017 steht die Koalition auf der Kippe. Kern wagt aber nicht den Schritt zu Neuwahlen, obwohl sein Gegner auf ÖVP-Seite damals noch Reinhold Mitterlehner geheißen hätte. Kern setzt die Koalition fort, alle Minister müssen das erneuerte Programm unterschreiben.

Kern, der Reibebaum der ÖVP

Doch die Querschüsse in der Regierung nahmen nicht ab, allen voran von Wolfgang Sobotka, damals Innenminister und Vertrauter von Sebastian Kurz. Als ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner im Mai 2017 zurücktritt, nimmt Kurz das Heft des Handelns in die Hand. Er ist es nun, der Neuwahlen ausruft.

Der Wahlkampf verläuft für Kern schleppend. Beim Migrationsthema, das alles überschattet, findet die SPÖ keine klare Linie. Dazu kommt die Silberstein-Affäre. Am Wahltag ist Kern, der zunehmend genervt wirkt, nur Zweiter, klar hinter der ÖVP. Kern muss in die Opposition. So hatte er sich sein Leben in der Politik nicht vorgestellt. Kern wirkt unglücklich. Doch er betont, auch in der Opposition der Politik treu bleiben zu wollen.

Anmerkung: Dieser Artikel wird laufend aktualisiert. Das Gerücht, Kern könnte zu Gazprom wechseln, hat sich nach "Presse"-Recherchen nicht erhärtet.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.