Pamela Rendi-Wagner: Zum zweiten Mal die erste Frau

Daniel Novotny
  • Drucken

Nicht Christian Kern hat Pamela Rendi-Wagner erfunden, sondern Alois Stöger. Sie Quereinsteigerin zu nennen, stimmt nicht ganz.

"Als ich vor mehr als zwei Jahren zum ersten Mal das grüne Haus in der Radetzkystraße betrat, hatte ich zahlreiche Gestaltungsideen, aber vor allem eine neue Aufgabe vor mir. Ich wechselte die Seiten – ab nun nicht mehr Wissenschaft, sondern Umsetzung, nicht mehr Detailanalyse der Molekülstruktur, sondern Betrachtungen der Bevölkerungsstruktur, nicht Individuum, sondern Gesellschaft.“ Das schrieb die designierte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner in einem Buch mit dem Titel „Weg mit den Gartenzäunen“ über ihren ersten Tag in der Politik.

Das war nicht der 6. März 2017, als (damals Kanzler) Christian Kern die 47-Jährige zur Gesundheitsministerin machte und diese erst am selben Tag in die SPÖ eintrat. Rendi-Wagner, ist, wenn man es genau betrachtet, keine Erfindung Christian Kerns, sondern des Ex-SPÖ-Gesundheitsministers Alois Stöger. Er holte die Tropenmedizinerin 2011 ins Ministerium und machte sie zur Sektionschefin für Öffentliche Gesundheit. Auch damals war sie in dieser Funktion eine erste Frau.

Vorher lebte Rendi-Wagner einige Jahre in Israel und unterrichtete an der Uni in Tel Aviv. Ihr Mann, Michael Rendi, war Botschafter für Österreich (und später Kabinettschef von Kanzleramtsminister Thomas Drozda).

Das Gesundheitsministerium hatte damals drei Sektionen: Eine kümmerte sich um Finanzen, die andere um juristische Angelegenheiten und Gesetze. Rendi-Wagner übernahm die inhaltliche – und somit einzige politische Sektion: Denn welche Maßnahmen im Gesundheitsbereich geplant werden, was getan werden soll und was nicht, ist nichts anderes als Politik. Eine solche Sektion kann nur gut führen, wer politisch vernetzt denken kann, ein Mensch mit gesellschaftspolitischen Ansprüchen ist. Rendi-Wagner brachte diese Voraussetzungen offenbar mit.

Kompetenzcheck. Die in Wien geborene Tropenmedizinerin, die 2008 zum Thema Impfschutz habilitierte, trieb im Ministerium den Impfplan voran. Sie entwickelte mit Stöger die Rahmen-Gesundheitsziele und den Frauengesundheitsplan. Sie war in etlichen Gremien vertreten – und lernte an der Seite des Ministers, was das politische Geschäft bedeutet. Sie lernte etwa, wie man verhandelt – mit Pharmafirmen, aber auch mit einem Koalitionspartner. Ihr Medientalent und ihr gutes Auftreten wird innerhalb der SPÖ dieser Tage oft als eine ihrer großen Stärken genannt.

Auch das dürfte Stöger damals offenbar schon bemerkt haben. Er hielt mit ihr Pressekonferenzen ab, schickte sie zu Interviews.
Als Führungskraft ist Rendi-Wagner Ministeriumsmitarbeitern in guter Erinnerung. Sie beschreiben die 47-jährige Mutter zweier Kinder als „ehrgeizig“, „fleißig“, „humorvoll“. Ihr Führungsstil soll „stets auf Augenhöhe“ gewesen sein – auch wenn sie inhaltlich viel gefordert habe.

Eine natürliche Autorität soll Rendi-Wagner besitzen.
Auch wenn die neue SPÖ-Chefin nun häufig als solche bezeichnet wird, ist sie keine Quereinsteigerin in die Politik. Seit ihrem Eintritt in das Ministerium vor sieben Jahren konnte sie sich viele Kompetenzen aneignen, die sie nun an der Spitze der SPÖ dringend brauchen wird, um nicht innerhalb kürzester Zeit den üblichen Macht- und Intrigenspielchen zu erliegen.

Offiziell hat sich die Partei geschlossen hinter Rendi-Wagner gestellt – aber freilich hat sie Kritiker. Zu unerfahren sei sie, würde die Partei zu schlecht kennen, sei zu wenig verankert, heißt es immer wieder. Und von Kern-Kritikern (wie die Landeshauptleute aus Burgenland und Wien) wird sie als dessen Vertraute auch mit ein wenig Misstrauen beäugt. Rendi-Wagner wird Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen leisten müssen.

Auch das ist ihr übrigens nicht fremd. Als sie 2017 zur Gesundheitsministerin ernannt wurde, übernahm sie auch die Frauenagenden. Was den SPÖ-Frauen durchaus sauer aufstieß, denn bis dato war es üblich gewesen, dass die Frauenministerinnen aus den Reihen der Frauenorganisation kommen. Dort zumindest hat Rendi-Wagner es geschafft, ihre Kritiker in Unterstützer zu verwandeln. Indem sie zu jeder Veranstaltung ging. Dort die erste war, die kam und die letzte, die ging. Weil sie mit jedem redete, die Anregungen aus diesen Gesprächen ernst nahm. Weil sie sich nicht zu schade war, inhaltliche Schwächen einzugestehen – und die Frauenorganisation auch um Hilfe und Rat zu bitten. Vor allem, weil sie Kritikerinnen ernst genommen hat, heißt es bei den SPÖ-Frauen.

Vertrauensvorschüsse. Letzteres wird sie auch jetzt tun müssen, wenn sie sich Hausmacht erarbeiten will und innerparteilich bestehen will. Sie muss den ihr entgegengebrachten Vertrauensvorschuss auch wieder zurückgeben. Etwa, indem sie auch kritische Geister in ihren Reihen zulässt.

Und dann wären da noch ein paar Kleinigkeiten, die man sich von der ersten Frau an der Spitze der SPÖ erwartet: Sie soll freilich nicht nur die Herzen der Partei, sondern auch die der Wähler erobern. Eine Opposition anführen und die nächste Wahl gewinnen. Und zwar in Zeiten, in denen die Sozialdemokratie in ganz Europa Wahlen eher verliert als gewinnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.