Der „freiwillige“ Abgang von Andreas Schieder stößt in der SPÖ auf Kritik – eint aber die Lager in der Wiener Partei. Auch die Ablöse Max Lerchers ist umstritten.
Wien. Dass es ein Drahtseilakt werden würde, war absehbar. Die ersten Schritte hat die designierte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner auf dem wackeligen Fundament namens SPÖ gewagt.
Sie hat ihren ersten kurzen öffentlichen Auftritt absolviert – sichtlich angespannt, aber ohne Fauxpas. Sie hat sich die alleinige Führung des Parlamentsklubs gesichert – Andreas Schieder, der seit 2013 an der Spitze des Klubs stand, kündigte seinen Rücktritt an.
Und auch die Löwelstraße wurde umgebaut. Schon wieder. Statt Max Lercher wird dort Ex-Kanzleramtsminister Thomas Drozda Bundesgeschäftsführer sein. Ein Vertrauter, wie Rendi-Wagner ihn nannte.
Offiziell hat die Partei diese Entscheidungen alle abgesegnet. Man will Einigkeit demonstrieren. Hinter den Kulissen brodelt es aber. Vorstands- und Klubsitzung gingen am Dienstag alles andere als gut gelaunt über die Bühne.
Die Mächtigen der Löwelstraße
Denn Rendi-Wagner selbst ist für viele in der Partei nicht die erste Wahl gewesen – für die Länderchefs von Burgenland und Wien zum Beispiel. Auch aus Ermangelung eigener potenzieller Kandidaten stimmten sie ihrer Designierung dann zu. Allen recht machen kann man es nie – Rendi-Wagner sammelte aber bei vielen gleich einige fette Minuspunkte, weil sie Max Lercher absägte und durch Thomas Drozda ersetzte.
Lercher hat vor allem in den Ländern große Sympathiewerte. Er arbeitete die vergangenen Monate an der Neuorganisation der Partei und einem neuen Programm – ohne gröbere Reibereien. Die Partei schien mit ihm recht zufrieden zu sein, und wie schwer manchen der Abschied nun fällt, zeigte sich am Dienstagabend am minutenlangen Applaus, mit dem der Vorstand ihn verabschiedete.
Anders war das bei Drozda, bei dessen Ernennung es nur verhaltenen Applaus gegeben haben soll. Er hat ebenso wie Rendi-Wagner viele noch zu überzeugende Kritiker, auch in seiner Landespartei (Wien) hat er nur wenige Fans – und zwar in allen Lagern. Für die linke Basis ist Drozda ein No-Go, aber auch der als pragmatisch geltende Bürgermeister, Michael Ludwig, wollte ihn zuletzt nicht zum Stadtrat machen.
Plötzlich geeinte Wiener SPÖ
Drozda ist auch erst seit Kurzem SPÖ-Wien-Mitglied. Das ging mit der Listenerstellung für die letzte Nationalratswahl einher. Sein Heimatbundesland Oberösterreich wollte Drozda nicht an prominente Stelle setzen – und mit Alois Stöger als Nummer eins ins Rennen gehen. Drozda wechselte daraufhin zur Wiener SPÖ.
Dass Drozda nun mit die Fäden gezogen hat, dass nun mit Andreas Schieder einer aus ihren eigenen Reihen von prominenter Stelle weichen muss, stößt sauer auf – eint aber interessanterweise die sonst eher in Lager zerfurchte Wiener SPÖ.
Schieder, einst größter Konkurrent Michael Ludwigs im Kampf um den Bürgermeisterstuhl, bekommt nun genau von diesem und seinen Anhängern Schützenhilfe. So befand Ludwig am Dienstag, dass sich Rendi-Wagner vielleicht zu viel Arbeit aufbürde, wenn sie Partei- und Klubvorsitz allein macht.
Der SPÖ-Simmering-Chef und Ludwig-Vertraute Harald Troch stellte noch vor der Klubsitzung am Dienstag klar, dass er gar nichts davon halte, Schieder abzulösen. Und: „Ich glaube nicht an eine Anführerin-Partei.“
Kurz als Inspiration?
Was er damit meint? Viele hatten sich von Rendi-Wagner eine Parteiöffnung erhofft, dass Spitzenpositionen demokratischer besetzt werden. Stattdessen habe sie noch vor ihrem ersten öffentlichen Auftritt an allen Machtschrauben gedreht, die zur Verfügung stehen, so die Kritik. Manche Genossen erinnert ihr Vorgehen sogar an die Inthronisierung von Sebastian Kurz.
Auch er habe ohne Rücksicht auf Parteibefindlichkeiten Vertraute installiert. Kurz' funktionierendes Küchenkabinett ist sicher einer seiner größten Erfolgsfaktoren – allerdings ist die SPÖ nicht die ÖVP.
Dazu hatte Kurz einen lang gehegten Plan, den er Schritt für Schritt umsetzte, bevor er die Macht ergriff. Rendi-Wagner hatte keine Zeit für Planungen und die Positionierung von Vertrauten (von denen sie noch wenige hat). Ob diese Strategie, die für die ÖVP Medizin war, nun auch die SPÖ heilt oder Gift ist – das wird sich noch weisen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2018)