U-Ausschuss: Razzia wegen Fall Landbauer?

Im Zentrum der Affäre um das Amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: Peter Goldgruber, Generalsekretär des Innenministeriums und Herbert Kickl, sein Minister.
Im Zentrum der Affäre um das Amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: Peter Goldgruber, Generalsekretär des Innenministeriums und Herbert Kickl, sein Minister.(c) APA/HANS PUNZ
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Innenminister Herbert Kickl schob den Schwarzen Peter für die Hausdurchsuchung Richtung Staatsanwältin – und diese nahm ihn gestern an. Sie habe aus eigenem Antrieb gehandelt. Sie sprach aber auch von Vehemenz seitens Kickls Kabinetts.

Wien. Fast alles ist eine Frage der Betrachtung. Diese Woche wird die Causa rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im U-Ausschuss aus dem Blickwinkel der Justiz beleuchtet. Während das FPÖ-geführte Innenministerium und Exekutivbeamte im Zentrum der Befragung standen, wurden für Dienstag und Mittwoch sechs hochrangige Zeugen der Justiz geladen.

Während Innenminister Herbert Kickl schon mehrmals die Verantwortung Richtung Justiz geschoben hat, vermutet die Opposition, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) vom Innenministerium unter Druck gesetzt worden ist.

Die geladenen Zeugen und die Vorwürfe

Sie sind Richter und Staatsanwälte. Sie sind Zeugen im U-Ausschuss, aber auch Beschuldigte. Denn nicht nur gegen BVT-Beamte gibt es zahlreiche Ermittlungen. Auch gegen die Justiz wurden etliche Anzeigen eingebracht. Wegen Amtsmissbrauch etwa. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg ermittelt.

Auch gegen die erste Zeugin, die führende Staatsanwältin Ursula Schmudermayer, laufen Ermittlungen. Sie ist federführend für die BVT-Ermittlungen zuständig – sowie für die Hausdurchsuchung, die mittlerweile vom Oberlandesgericht Wien in weiten Teilen als unzulässig erklärt wurde. Ihre Befragung füllte den Vormittag. Der Nachmittag widmete sich dem Journalrichter Ulrich Nachtlberger sowie Schmudermayers Vorgesetztem, Staatsanwalt Wolfgang Handler.

Von Nachtlberger wurde erst in der Nacht vor der Hausdurchsuchung eine mündliche Genehmigung eingeholt, obwohl die Hausdurchsuchung bereits mehrere Tage davor vorbereitet wurde. Ihm wird vorgeworfen, sich nicht gut genug informiert zu haben, bevor er diese erteilte. Der Akt ist ihm zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen.

Als letzter Zeuge wurde Staatsanwalt Wolfgang Handler, der Vorgesetzte Schmudermayers, einvernommen. Am Mittwoch sollen der Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek ebenso einvernommen werden wie Ilse Vrabl-Sanda, die Chefin der WKSta.

Widersprüche einer Staatsanwältin

Die Befragung von Ursula Schmudermayer dauerte mit dreieinhalb Stunden ungewöhnlich lang – und je länger sie referierte, desto mehr zeigte sich vor allem eines: Ihre Handlungen waren in überbordendem Maße von Misstrauen gegenüber der Exekutive geprägt – dafür vertraute sie auf die Aussagen der vier (vom Innenministerium vermittelten) Belastungszeugen vielleicht zu sehr und hinterfragte deren Motive wohl phasenweise etwas zu wenig.

Grundlage der BVT-Causa ist ein anonymes Pamphlet, das im Frühjahr 2017 an die WKSta ging. Darin finden sich Dutzende Vorwürfe gegen hochrangige Exekutivbeamte – gegen den stellvertretenden Direktor des BVT, aber auch den Chef der Cobra, des Bundeskriminalamts oder des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK). Die Hauptvorwürfe drehen sich in den aktuellen Ermittlungen schließlich um die Weitergabe von nordkoreanischen Passmustern an Südkorea – und die Nichtlöschung von Daten des Anwalts Gabriel Lansky.

Neben der WKSta recherchierten vergangenen Sommer dazu auch etliche Medien – darunter „Die Presse“. Die Vorwürfe entkräfteten sich großteils schon in den ersten Recherchen. Seitens der WkSta hieß es damals gegenüber der „Presse“ informell, dass man die Ermittlungen wohl bald einstellen werde, weil die Vorwürfe nicht stichhaltig genug seien. Zu derartigen Medienanfragen sagte Schmudermayer: Hätte sie Ermittlungen bestätigt, wären diese vielleicht gefährdet gewesen. Weil diese so geheim wie möglich sein sollten, wurden wohl auch einige wichtige Vorermittlungen vor der Hausdurchsuchung nicht gemacht. Schmudermayer begründete das so: Wenn sie bei den Behörden nachgefragt hätte, hätten diese ja von den Ermittlungen gewusst. So entging ihr auch – wie sie zugab –, dass es zu den ominösen Lansky-Daten nie eine Löschungsanordnung an das BVT gegeben hat. Es hat eine Anordnung seitens der Staatsanwaltschaft Linz an das BVT gegeben, die gewünschten Daten zu übermitteln. Und das, so Schmudermayer, sei auch passiert. Es ist fraglich, ob es Kopien gibt.

Die Rolle des Innenministeriums

Die Opposition versuchte herauszufinden, inwieweit das Innenministerium versuchte, die WKSta zu weiteren Ermittlungen zu drängen und eine Hausdurchsuchung zu forcieren. Wir erinnern uns: Der Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber, traf sich mit Schmudermayer und übergab das Pamphlet. Die erste Zeugin wurde von Kickls Kabinett avisiert – und auch weiteren Zeugen von Kabinettsmitarbeiter Udo Lett herangeführt. Dieser war auch als Vertrauensperson bei Befragungen anwesend. In dem der „Presse“ vorliegenden Akt finden sich in den Protokollen Zwischenbemerkungen seinerseits. Er spielte also auch eine aktive Rolle. Auf die Frage des SPÖ-Abgeordneten Jan Krainer, wie oft eine derartige Einmischung aus einem politischen Büro in Schmudermayers Karriere schon vorgekommen sei, antwortete sie: „Nie.“ Sie sagte: Kickls Kabinettsmitarbeiter „wusste schon genau, was er wollte“. Dennoch obliege nur der Staatsanwaltschaft, ob eine Hausdurchsuchung angeordnet werde.

Die WKSTa würde Zwischenrufe prinzipiell nicht dulden und habe die Anordnung der Hausdurchsuchung souverän entschieden. Die vom Innenministerium vorgeschlagene Einheit zur Hausdurchsuchung habe sie als in Ordnung empfunden.

Warum allerdings etwa bei der Leiterin des Extremismus-Referats dann deutlich mehr Datenmaterial mitgenommen wurde als beauftragt, konnte sie nicht wirklich begründen. Alles in allem verteidigte Schmudermayer das Vorgehen bei der Hausdurchsuchung selbstbewusst. Dass die Oberstaatsanwaltschaft diese mittlerweile in weiten Teilen als unzulässig erklärt habe, „nehme ich zur Kenntnis“.

Der Aufreger des Tages

Die Opposition vermutet, dass im Extremismusreferat umfassend Daten mitgenommen wurden, weil sich das FPÖ-geführte Innenministerium so Wissen über Ermittlungen gegen Burschenschaften beschaffen wollte. Das Innenministerium streitet das ab.

Der „Falter“ veröffentlichte am Dienstag aber, dass das Innenministerium schon einmal derartige Daten abgefragt hat. Und zwar rund um die Landbauer-Causa. Im Jänner, auf dem Höhepunkt des niederösterreichischen Landtagswahlkampfs, war ein Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt mit den Nationalsozialismus verherrlichenden Texten aufgetaucht. Der FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer, der im Vorstand dieser Burschenschaft war, trat zurück. Die Ermittlungen wurden mittlerweile eingestellt.

Der „Falter“ berichtet, dass BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber Ende Jänner vom BVT Auskunft über Ermittlungen gegen Burschenschaften begehrte. Unter anderem wollte er wissen, wo genau verdeckte Ermittler eingesetzt wurden – BVT-Direktor Peter Gridling hat dazu einen Aktenvermerk angelegt, der der „Presse“ vorliegt. Die Anfrage wurde vom BVT vage beantwortet: Nämlich, dass verdeckte Ermittler eingesetzt wurden – aber nicht, wer und wo. Das Innenministerium gab am Dienstag an, diese Informationen als Vorbereitung für den Ende Jänner von der SPÖ einberufenen Nationalen Sicherheitsrat benötigt zu haben, der zur Causa Landbauer getagt hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2018)

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