Das Innenministerium wirft "Falter"-Chefredakteur Klenk Recherchefehler vor - und veröffentlichte diesbezügliche E-Mails. Laut Medienanwältin Windhager ist schon "der Umstand, dass er überhaupt geschrieben hat" schützenswert.
Der Umgang des Innenministeriums mit Medien sorgt erneut für Aufregung. Anlass diesmal: Nach einem "Falter"-Bericht zur BVT-Affäre erklärte das Ressort von Herbert Kickl (FPÖ), Chefredakteur Florian Klenk habe keine Stellungnahme dazu eingeholt. Klenk bestritt das, woraufhin das Ministerium kurzerhand die Korrespondenz mit ihm veröffentlichte. Medienanwältin Maria Windhager ortet darin einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hingegen einen Fall für den Presserat. "Der Presserat ist am Zug", kommentierte der Regierungschef die Angelegenheit am Mittwoch knapp.
Dort, beim Presserat, ging am Mittwoch eine Beschwerde des Innenministeriums über die "Falter"-Berichterstattung ein, wie Geschäftsführer Alexander Warzilek bestätigte. Der Senat 1 des Presserats unter der Leitung des früheren EuGH-Richters Peter Jann werde sich in seiner nächsten Sitzung am 24. Oktober damit befassen.
Etwas ausführlicher meldete sich Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu Wort. Es sei "traurig und schade", dass "keine solide Recherche stattgefunden hat", richtete er Klenk aus. "Redlicher Journalismus" sei es, wenn man Unterstellungen in den Raum stelle, beim Betroffenen rückzufragen. Der "Falter"-Chefredakteur habe aber nicht um eine Stellungnahme von Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber zur Causa BVT angefragt.
Der Reihe nach: Klenk bezog sich in einem "Falter"-Artikel auf einen Aktenvermerk von BVT-Direktor Peter Gridling, wonach Goldgruber schon vor der umstrittenen Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Auskunft über Ermittlungen gegen Burschenschaften begehrte. Das Innenministerium sprach in einer umgehenden Reaktion von "Interpretationen" Klenks, die "gehaltlos" seien. Klenk habe auch "leider" im Zuge seiner Recherchen nicht versucht, Goldgruber zu kontaktieren, merkte das Ministerium in der Aussendung an.
Der Chefredakteur postete daraufhin auf Twitter einen Screenshot von einem Mail an Kommunikations-Abteilungsleiter Alexander Marakovits. Darin ersuchte er um ein Interview mit Kickl. Es folgte eine weitere Aussendung des Ministeriums - mit der "Chronologie der Klenk-Anfragen seit 25. September", wie es im Titel hieß. Inhalt: Mails von Kurznachrichten (SMS) von Klenk im Wortlaut.
Der Zweck des Unterfangens: Das Ministerium wollte belegen, dass Klenk "die nun gegenüber Generalsekretär Goldgruber erhobenen Vorwürfe" nie erwähnte. Deswegen kündigte es auch an, den Presserat anzurufen, da das Gebot der "Genauigkeit" im Ehrenkodex für die Österreichische Presse verletzt worden sei.
E-Mail-Verkehr = "personenbezogene Daten"
Verletzt wurde mit dieser Aussendung allerdings aus Sicht von Medienanwältin Windhager die Datenschutz-Grundverordnung. Denn E-Mail-Verkehr an sich stelle nach dieser relativ neuen Rechtslage "personenbezogene Daten" dar: Nicht nur Mailadressen, sondern auch der Inhalt und "der Umstand, dass er überhaupt geschrieben hat", sind demnach schützenswerte Daten, deren Veröffentlichung der Verfasser zustimmen müsste.
Zwar könnten laut DSGVO "berechtigte Interessen" fürs Veröffentlichen geltend gemacht werden, "das wäre etwa die Abwehr von Kritik" im aktuellen Fall, sagte Windhager am Mittwoch. Aber: Eine "Behörde in Erfüllung öffentlicher Aufgaben" sei genau von dieser Möglichkeit ausgenommen. "Meines Erachtens war das nicht zulässig, und Florian Klenk könnte sehr aussichtsreich Beschwerde bei der Datenschutzbehörde einlegen."
Aus beruflicher Sicht würde Windhager sich das wünschen: "Wir brauchen Judikatur." Amts-, Brief-oder Redaktionsgeheimnis sieht Windhager dagegen eher nicht berührt. Und dass Klenk selbst eins seiner Mails veröffentlichte, sei zulässig, da er selbst sie geschrieben hatte.
>>> Innenministeriums-Aussendung zur E-Mail-Konversation
(APA/Red.)