BVT-U-Ausschuss

„Eine Katastrophe, meine Damen und Herren“

Neue Erkenntnisse im BVT-Fall?
Neue Erkenntnisse im BVT-Fall?APA/HANS PUNZ
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Ein Hauptbelastungszeuge litt an Gedächtnisverlust, ein anderer zeigte sich betroffen, dass seine Aussagen zu einer Hausdurchsuchung geführt haben sollen. Ein Ex-BVT-Direktor sah sein „Baby“ gar „in der Asche liegen“.

Wien. „Dürfen Sie eine Waffe tragen?“, fragte der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer am Mittwoch den Zeugen H. im U-Ausschuss. Als dieser bejahte, meinte er in Richtung Verfahrensrichter: „Ich rege an, zu überprüfen, ob jemand mit derartigem Gedächtnisverlust eine Waffe tragen sollte.“

H. ist einer jener vier Hauptbelastungszeugen, deren Aussagen zu der mittlerweile als großteils unzulässig erklärten Hausdurchsuchung geführt hatten. H. arbeitete in der IT des BVT und hatte bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) von der Möglichkeit einer Fernlöschung gesprochen. Die Staatsanwältin hatte tatsächlich auch geglaubt, dass es möglich sei, auf Knopfdruck am Handy Terabyte an Daten zu löschen – und veranlasste deshalb Hausdurchsuchungen.

Am Mittwoch wurde klar: H. fehlt die Expertise, um zu beurteilen, was technisch möglich ist, wie er selbst erläuterte: „Ich bin kein Servermensch.“ Er wisse nicht, was ein Systemadministrator könne oder nicht. Er kenne sich nur mit Handys aus.

Auch sonst fehlte ihm Wissen. So stritt er ab, sich am 31. Jänner mit dem Innenministeriums-Kabinettsmitarbeiter Udo Lett getroffen zu haben. Das geht aber aus einer Anfragebeantwortung an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hervor. Er wusste auch nicht, ob er andere Zeugen getroffen hatte – und was er bei der WKStA ausgesagt hatte. „Eigentlich ist mir nichts erinnerlich“, sagt er immer wieder.? M. ist ebenfalls einer jener vier Zeugen, die von der WKStA als Hauptzeugen geführt werden. Er war Stellvertreter von Abteilungsleiter W., ebenfalls ein Kronzeuge. W. war es auch, der M. bei der WKStA als möglichen Zeugen anführte. Kickls Kabinettsmitarbeiter Udo Lett hatte M. dann kontaktiert und erklärt, worum es gehe: M. gab an, dass er zur WKStA gegangen sei, mit der Intention, Vorwürfe vielleicht entkräften zu können.

Vor allem in der Causa Lansky, denn er sei der Meinung, dass seine Kollegen nichts falsch gemacht hätten, wusste aber, dass es diesbezüglich immer wieder Vorwürfe gebe. Anwalt Gabriel Lansky wirft dem BVT vor, gewisse Daten nicht gelöscht zu haben. M. hat seiner Meinung nach keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe erhoben – und sieht auch heute keine: „Sonst hätte ich das angezeigt.“

Alle vier Hauptbelastungszeugen haben jetzt also im U-Ausschuss gesprochen. Das Resümee der Abgeordneten war recht einhellig. Strafrechtlich relevante Vorwürfe hätten sich kaum gefunden, waren sich die Parteien bis auf die FPÖ einig. Und zur Validität der Zeugen sagte etwa der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon: „Wir haben erlebt, dass die sogenannten Belastungszeugen nicht belastbar sind und zusammenklappen.“ Liste-Pilz-Abgeordnete Alma Zadić wunderte sich: „Warum die Staatsanwaltschaft diese Zeugen, wie sie sind und was sie sagen, als glaubhaft einstuft, ist unverständlich.“

Ex-BVT-Direktor findet Razzia „abartig“

Am Mittwoch sprach auch der ehemalige BVT-Direktor Gert-René Polli vor dem U-Ausschuss. Seine Conclusio zur Causa: „Es ist eine Katastrophe, meine Damen und Herren. Das BVT liegt in der Asche und wir tanzen darauf.“ Der Grund: „Es beginnt mit der Hausdurchsuchung, geht über die mediale Berichterstattung und endet bei der Befragung im U-Ausschuss von Beamten.“

Polli ging mit allen hart ins Gericht: Mit Innen- und Justizministerium für deren unsensiblen Umgang und mit der Hausdurchsuchung. Er bezeichnete eine solche Razzia als „abartig“. Aber auch im BVT, das er aufgebaut hatte, ortete er Fehlentwicklungen. „Das BVT ist mein Baby“, sagte er, um das er sich auch sorge.

So sprach Polli etwa in einem ORF-Interview im März von einem schwarzen Günstlingsnetzwerk im Innenministerium. Namen wollte er am Mittwoch keine nennen und nahm diese Aussagen teilweise zurück. Es sei ein Eindruck, der sich über die Jahre verfestigt hätte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2018)

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