BVT: Das Geheimdienst-Kartenhaus zerfällt

Das BVT Gebäude.
Das BVT Gebäude. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Befund nach den ersten Befragungen im U-Ausschuss ist ernüchternd. Der Wirbel ist groß, das Substrat der Vorwürfe gegen das BVT schrumpfend. Was bleibt, sind Zufallsfunde.

Wien. Auf die Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) am 28. Februar folgte ein politisches Erdbeben, von dem auch die türkis-blaue Koalition nicht unberührt blieb. Die Causa wurde international thematisiert – Land und Amt haben erheblichen Imageschaden davongetragen. Ausländische Geheimdienste nehmen Abstand von Österreich. Ein U-Ausschuss soll klären, wie es so weit kommen konnte, wer die Verantwortung trägt – und auch, was an den Vorwürfen dran ist. Je mehr Zeugen vernommen werden, umso klarer wird: Die Frage von Maß und Ziel könnte wohl aus den Augen verloren worden sein.

Die Vorwürfe

Basis ist ein anonymes Konvolut, das der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) seit dem Sommer 2017 vorliegt. Es enthält zahlreiche Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Innenministeriums und des BVT. Während sich die Staatsanwaltschaft Wien wegen Substanzlosigkeit weigerte zu ermitteln, nahm die WKStA den Ball auf und extrahierte mehrere Vorwürfe: Einerseits geht es um die Weitergabe von nordkoreanischen Passmustern an Südkorea. Andererseits steht im Raum, dass das BVT gewisse Daten nicht gelöscht hat – darunter jene des Staranwalts Gabriel Lansky, gegen den das BVT ermittelt hat. Die WKStA gab im November 2017 gegenüber der „Presse“ an, die Ermittlungen bald einstellen zu wollen.

Die Zeugen

Das Konvolut allein soll laut der führenden Staatsanwältin Ursula Schmudermayer auch nicht Grund für die Hausdurchsuchung gewesen sein. Ausschlaggebend seien die Aussagen von vier Zeugen gewesen. Diese vier Kronzeugen haben mittlerweile im U-Ausschuss vorgesprochen. Ihre Auftritte sorgten für Staunen: Ein Zeuge dementierte seine eigenen zu Protokoll gegebenen Aussagen und litt anscheinend an massivem Gedächtnisverlust. Eine Zeugin sprach von Mobbing, weil sie den ganzen Tag Radio Niederösterreich hören musste. Sie schilderte massive Sicherheitsprobleme im BVT– als Beispiel führte sie an, dass die Englischkenntnisse ihres Chefs schlecht gewesen seien. Alle vier Zeugen waren der Meinung, keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen das BVT erhoben zu haben.

Die Staatsanwältin

Warum die Staatsanwältin Schmudermayer diese vier Aussagen als ausschlaggebend und die Zeugen an sich als glaubhaft eingestuft hat, ist schwer nachvollziehbar. Genauso wie die Tatsache, dass sie die Zeugenaussagen ebenso wenig hinterfragt hat wie die Vorwürfe im Konvolut – aber trotzdem eine Hausdurchsuchung angeordnet hat. Sie selbst gab im U-Ausschuss an, dass sie nicht ermitteln konnte, weil ja sonst bekannt geworden wäre, dass sie ermitteln würde – was wiederum die Ermittlungen behindert hätte.

Das Innenministerium

Es war die Staatsanwaltschaft, die die Hausdurchsuchung angeordnet hat – aber das Innenministerium spielt ebenfalls eine ungewöhnliche Rolle. Denn es war das Kabinett Innenminister Herbert Kickls, das Kronzeugen an die WKStA vermittelte. Es wurden mit Zeugen Vorgespräche geführt – eine Zeugin traf Minister Kickl persönlich. Ein Kabinettsmitarbeiter war als Vertrauensperson bei den Zeugenvernehmungen dabei. Dazu gab die Staatsanwältin an, dass es Druck aus dem Innenministerium gegeben haben soll, eine Hausdurchsuchung durchzuführen.

Nebenschauplätze

Die ursprünglichen Vorwürfe haben sich bisher kaum erhärtet. Dem gegenüber stehen mittlerweile etliche Gerichtsurteile, die das Vorgehen von Justiz und Innenressort für nicht in Ordnung befinden. In vier Fällen mussten Suspendierungen zurückgenommen werden. Die Hausdurchsuchung wurde fast zur Gänze als unrechtmäßig erklärt.

Was bleibt, sind Zufallsfunde durch die Hausdurchsuchung: Ein Mitarbeiter hatte geheime Akten zu Hause. Er sagt, er habe dort gearbeitet. Auch andere fragwürdige Daten wurden gefunden. Das zeichnet in erster Linie ein Sittenbild einer Behörde, bei der gewisse Dinge aus dem Ruder gelaufen sind. Für die Genehmigung einer Hausdurchsuchung hätten die Funde wohl nicht gereicht.

AUFKLÄRUNG

Der U-Ausschusswurde auf Betreiben der Opposition eingesetzt und beschäftigt sich schwerpunktmäßig bis Ende des Jahres mit der Hausdurchsuchung im BVT. Die nächsten Termine sind am 6. und 7.11. Geladen sind Generalsekretär Peter Goldgruber, Kabinettsmitarbeiter Udo Lett sowie BVT-Direktor Peter Gridling und sein Stellvertreter. Minister Kickl wird am 27.11. Auskunft geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2018)

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