Kassenreform: Einbußen für regionale Betriebe

Die Sozialversicherungsreform ist im Endspurt.
Die Sozialversicherungsreform ist im Endspurt. (c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Der überarbeitete Gesetzesentwurf zur Kassenreform soll diese Woche in den Ministerrat kommen. Experten sehen mögliche Einbußen von einer halben Milliarde Euro für die regionale Wirtschaft.

Wien. Die Sozialversicherungsreform ist im Endspurt. Die neuen Gesetze sollen noch diese Woche in den Ministerrat. Derzeit arbeiten die Beamten auf Hochtouren. Zu den Gesetzesvorschlägen hat es zahlreiche Stellungnahmen und Änderungswünsche gegeben.

So ist etwa die Kritik der Arbeiterkammer (AK) ausführlich ausgefallen. Sie weist beispielsweise darauf hin, dass durch die Zusammenlegung der Krankenkassen der regionalen Wirtschaft in den nächsten Jahren rund 500 Millionen Euro entgehen könnten.

Die Argumentation: Derzeit können die einzelnen Kassen ihre Aufträge selbstständig erteilen. So erfolgt die Beschaffung von Heilbehelfen und Hilfsmitteln derzeit über regionale Leistungsbringer. Auch kleinere Bau- und Reparaturarbeiten an den Häusern der Krankenkassen oder an deren Kureinrichtungen werden derzeit meist an regional ansässige Firmen vergeben.

Die Regierung hat angekündigt, diese Vergaben zentralisieren zu wollen. Das bedeutet aber auch, dass die Volumina der Aufträge steigen – und vielfach europaweiter Ausschreibungen bedürfen. Statt regionalen Optikern, Bandagisten oder Baufirmen könnten künftig billigere Großanbieter aus anderen EU-Ländern zum Zug kommen. Österreichische Klein- und Mittelbetriebe müssten in den nächsten fünf Jahren mit Umsatzeinbußen von rund 500 Millionen Euro rechnen, glaubt die AK. Diese Berechnung beruht auf einer Studie des Linzer Volkswirts Friedrich Schneider und der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung.

Neue Prüfer

Finanzielle Nachteile errechneten Arbeiterkammer und Rechnungshof auch, wenn es darum geht, dass künftig nicht mehr die Sozialversicherung, sondern die Finanz allein für Beitragsprüfungen zuständig sein soll. Momentan prüfen beide. Anfragebeantwortungen und Stellungnahmen des Rechnungshofes ergeben, dass die Prüfer der Sozialversicherungen zwischen drei und vier Mal so effizient sind wie die Prüfer der Finanz. Sie konnten also deutlich mehr Geld für die Sozialversicherungen einbringen als die Prüfer der Finanz. Die Arbeiterkammer glaubt, dass durch diese Prüfkompetenz-Verschiebung in den nächsten fünf Jahren bis zu 650 Millionen Euro an Beiträgen verloren gehen könnten.

Dass die Sozialversicherungsprüfer effizienter sind als die der Finanz, begründet der Rechnungshof übrigens mit Organisations- und Entscheidungsstrukturen. Finanzminister Hartwig Löger bestreitet, dass es Effizienz-Unterschiede gibt.

Weiters gibt es von mehreren Seiten Zweifel, ob diese Verschiebung von Kompetenzen überhaupt verfassungskonform ist. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) kann keine Verfassungswidrigkeit erkennen. Sowohl Harald Stolzlechner von der Universität Salzburg als auch die Finanzprokuratur hätten dies in Gutachten bestätigt, sagte er am Montag vor Journalisten. Negative Begutachtungsstellungnahmen sah er vor allem durch die Sorge der Funktionäre in den Sozialversicherungen um ihren eigenen Einfluss motiviert. Dass auch der Rechnungshof deutlich Kritik geübt hat, bezeichnete Löger als nicht nachvollziehbar, denn bereits seit 2003 gebe es gemeinsame Prüfungen, die zur Zufriedenheit aller entweder von der einen oder der anderen Seite durchgeführt würden.

Anlaufstelle bleibt erhalten

Löger verspricht sich von der Zusammenlegung der jeweils knapp 270 Prüfer mehr Effizienz. Künftig gebe es statt 19 Einheiten nur noch eine mit einheitlicher Rechtsauslegung, betonte er. Abstriche zu den bisherigen Prüfungen durch die Kassen schloss er aus, auch was die Einhaltung von Kollektivverträgen, Lohn- und Sozialdumping betrifft. Auch, dass man Hinweisen Versicherter gezielt nachgehe, soll künftig möglich sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2018)

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