Die frühere Eigentümerin war für die Enteignung mit 310.000 Euro entschädigt worden. Dies war ihr zu wenig - sie klagte. Gutachten schätzen den Wert des Hauses auf mindestens 800.000 Euro.
Der Zivilprozess im Streit darüber, was die Republik für die Enteignung des Hitler-Geburtshauses in Braunau an die frühere Eigentümerin zu zahlen hat, steht vor einem Urteil. Das Landesgericht Ried im Innkreis hat die Verhandlung am Donnerstag geschlossen und den Beschluss schriftlich angekündigt.
In der Verhandlung ging es darum, was das Haus wirklich wert ist. Die Eigentümerin war enteignet worden, damit das Gebäude nicht zur Pilgerstätte für Neonazis wird. Sie wurde mit 310.000 Euro entschädigt. Das war ihr zu wenig. Sie zog vor Gericht und klagte gegen die Höhe der Entschädigung.
Haus je nach Gutachten deutlich mehr wert
Ein Sachverständigen-Gutachten zur Bewertung der Immobilie im Auftrag des Gerichtes ergab nun zwei Haupt- und mehrere Untervarianten. Der unterste Wert sind demnach 812.000, der höchste 1,5 Millionen Euro. Das ist auf jeden Fall mehr als die bereits bezahlte Entschädigung. Diese beruhte auf einer anderen Einschätzung des Sanierungsbedarfes und der danach zu erwartenden Mieteinnahmen. Der Unterschied bei den nunmehr ermittelten Werten ergibt sich vor allem dadurch, wie die "Besonderheit des Hauses als Geburtshaus von Adolf Hitler" gewichtet wird.
Die beiden Streitparteien signalisierten vor Schluss der Verhandlung keine Einigung. Die Republik zeigt zwar Bereitschaft eine "angemessene" - höhere als die bisherige - Entschädigung zu bezahlen, scheint aber nicht zu einer Abgeltung der "Sonderbedeutung" zu neigen. Der Anwalt der Eigentümerin, Gerhard Lebitsch, argumentiert jedoch damit, dass gerade wegen dieser enteignet worden sei. Er verlangt die Variante mit dem Höchstwert abzüglich des bisher Bezahlten, somit rund 1,2 Millionen Euro.
Richter Rudolf Sturmayr stellte fest, alle Varianten des Schätzgutachtens seien begründbar. Mit seinem Beschluss werde er sich für eine entscheiden. Auf die Frage der Sonderbewertung durch die historische Bedeutung werde er nur mit einem Satz eingehen, kündigte er an. So eine Frage wie in diesem Fall habe sich bisher noch nie gestellt. Wegen der fehlenden Kompromissbereitschaft beider Seiten rechnet er ohnehin damit, dass sich nach seinem Beschluss wohl der Instanzenzug mit dieser Frage befassen wird müssen.
Innenministerium und Bundeskanzleramt zögerlich
Wie der "Kurier" berichtet hatte, hätten die zögerlichen Aktivitäten des Innenministeriums und des Bundeskanzleramts, die für das Haus zuständig seien, in Braunau für Verwunderung gesorgt: Denn unter dem früheren Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sei zugesichert worden, das Haus so umzubauen, dass die Lebenshilfe eine Kunsthandwerksstätte darin betreiben kann. Konkrete Informationen darüber gebe es aber laut Martina Gebetsroither von der Lebenshilfe OÖ und dem Braunauer Bürgermeister Johannes Waidbacher (ÖVP) nach wie vor nicht.
Im Büro des nunmehrigen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) wurde die Verzögerung gegenüber der Zeitung damit begründet, dass man einen eigenen Gutachter beauftragt habe, "der das ursprüngliche Aussehen des Hauses zu erforschen hat", wie eine Sprecherin sagte.
(APA)