Van der Bellen: "Niemals wieder" darf keine Floskel werden

APA/HERBERT NEUBAUER
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Anlässlich des 80. Jahrestags der Novemberprogrome mahnt der Bundespräsident zur Wachsamkeit. "Der Holocaust ist nicht vom Himmel gefallen", warnt Oberrabbiner Arie Folger beim Gedenkmarsch "Light of Hope".

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Donnerstagabend bei einer Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen im Psychosoziales Zentrum ESRA der IKG in Wien gemahnt, das "oft wiederholte 'Niemals wieder'" dürfe "nicht zur Pflichtübung oder zur Floskel verkommen". Man müsse die Geschichte als Beispiel sehen, "wohin Sündenbockpolitik, Hetze, Ausgrenzung führen können", sagte er am Platz des beim Novemberpogrom 1938 zerstörten einstigen Leopoldstädter Tempels.

Zwar wiederhole sich Geschichte niemals gleich, aber es gebe Situationen und politische Diskurse "die Ähnlichkeiten aufweisen können". "Seien wir wachsam, sodass es niemals wieder zu Demütigung, Entrechtung und Verfolgung in unserem Land oder in Europa kommen kann", so der Präsident. Auch rief er dazu auf, sich des hohen Wertes von Grund- und Freiheitsrechten und von Menschenrechten bewusst zu sein. Diese gelte es - wie auch die liberale Demokratie und Pressefreiheit - "täglich aufs Neue zu verteidigen".

Van der Bellen erinnerte an die Ereignisse vor 80 Jahren, an die Zerstörungen von Synagogen und Bethäuser, Wohnungen und Geschäfte. Noch mehr gehe es aber darum, jener Menschen zu gedenken, "die gedemütigt, gequält, vertrieben oder ermordet wurden". Besonders würdigte der Bundespräsident die bei der Gedenkveranstaltung anwesenden Zeitzeugen, denen er dafür dankte, dass sie ihre persönlichen Erinnerungen an die Verbrechen der Nationalsozialisten teilen. Dies ermöglich es, Eindrücke davon zu vermitteln, was es bedeute, einer menschenverachtenden Ideologie, einer hasserfüllten Masse ausgesetzt zu sein.

"Es war nicht nur vor 80 Jahren"

Am Abend hat die Jugendkommission der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) außerdem zum fünften Mal zum Gedenkmarsch "Light of Hope" aufgerufen. Bei der Abschlusskundgebung am Judenplatz sprachen neben IKG-Präsident Oskar Deutsch und Oberrabbiner Arie Folger, auch österreichische Holocaust-Überlebende, sowie Vertreter der Republik.

"Der Holocaust ist nicht vom Himmel gefallen" konstatierte Folger. Im Gegenteil gäbe es eine "lange blutige Geschichte des Antisemitismus". Auch Deutsch mahnte, die Novemberpogrome nicht als isoliertes Ereignis zu sehen: "Es war vor 80 Jahren, aber es war nicht nur vor 80 Jahren". Die Novemberpogrome seien "weder der Anfang, noch das Ende der Schoah" gewesen. "Das Ende waren die Gaskammern und am Anfang war der Hass". In diesem Sinne gelte es, wachsam gegen Antisemitismus und Rassismus zu sein, denn Gedenken "macht nur dann Sinn, wenn wir die Lehren daraus ziehen". Neben mahnenden Worten, fand Deutsch auch Grund zur Freude, nämlich "dass wir heute gemeinsam mit unseren Freunden aus Israel hier sind."

In Österreich wurden im Rahmen der Pogrome im November 1938 mindestens 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Im gesamten "Deutschen Reich" wurden tausende Synagogen und Geschäfte niedergebrannt, nach offizieller damaliger Lesart 91 Personen getötet, tatsächlich starben aber während der Pogrome und in deren Folge

(APA)

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