Der "Woo-hoo"-Effekt bei den Grünen

Werner Kogler beim grünen Bundeskongress
Werner Kogler beim grünen BundeskongressAPA/GEORG HOCHMUTH
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Es gibt sie noch: die Grünen. Am Samstag wählten sie Werner Kogler mit 99 Prozent zum Parteichef. Und dieser zog auf dem Parteitag eine große Show ab.

Hinter Werner Kogler zieht ein blonder, junger Mann in den Saal ein: Stefan Kaineder, geboren 1985, Theologe, drei Kinder, Landtagsabgeordneter in Oberösterreich. „Dem gehört die Zukunft. Das wird einmal unser Star“, sagt ein Grünen-Funktionär weiter hinten. Man wird sehen.

Noch geht Werner Kogler voran. Die Not- und Interimslösung nach dem Fiasko des Vorjahrs. Doch so mancher wird sich nach dem  Bundeskongress am Samstag gefragt haben: Worum nicht bei Kogler bleiben? Dieser zog auf der Bühne eine fulminante Show ab. Das Publikum dankte es ihm mit 99,02 Prozent Zustimmung.

Die Wahl des Ortes des grünen Bundeskongresses ist nicht ohne Witz. Er findet im Studio 44 der Österreichischen Lotterien statt. Die vormalige Parteichefin Eva Glawischnig heuerte bekanntlich beim Glücksspielkonzern Novomatic an. Und diese hatte am Vortag in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ für Aufsehen gesorgt. Glawischnig bekannte darin, als Grünen-Chefin jahrelang eine Art „Kunstfigur“ gewesen zu sein, eine Projektionsfläche. Sie selbst sei stets wesentlich vielschichtiger gewesen. Und einem der aussichtsreichen Kandidaten für die derzeit laufende Wahl zum Wiener Grünen-Chef legte sie auch noch eine auf: „In Wien gibt es – auch dank Ellensohn – seit dem Automatenverbot so viele illegale Spielstätten wie noch nie zuvor.“

Die Grünen der Post-Glawischnig- Zeit versuchen es jedenfalls einmal mit Zuversicht. Es wirkt beinahe so, als hätte man sich das vor dem Bundeskongress so ausgemacht, die Partei der Optimisten zu geben. Als erster Redner ist der Bürgermeister von Innsbruck, Georg Willi, an der Reihe. Er erklärt den Grünen, wie sie sein müssten. Erstens: unerschrocken. Haltung müssten die Grünen zeigen. Zweitens: zuversichtlich. „Wer wählt schon gern die Schwarzmaler, die Prediger der Apokalypse?“, fragt Willi. Das passt – obwohl auf die Regierung gemünzt – dann schon auch ganz gut zu den Grünen. Und drittens: augenzwinkernd. „Ein Schuss Humor“ sei stets nötig, man solle sich selbst nicht so ernst nehmen. Auch das könnte man durchaus als kleinen Seitenhieb auf mitunter doch recht bierernste Grüne sehen.

Tipps von Willi. Und der grüne Bürgermeister hat noch einen Tipp parat: „Bevor wir die Leute verändern wollen, müssen wir ihnen erst einmal zuhören. Erst dann können wir versuchen, sie zu uns herüberzuziehen.“ Und Willi schließt ebenso zuversichtlich: „Auch wir werden wieder Wahlen gewinnen!“

Applaus, Applaus. Wobei es bei den Grünen nicht einfach nur Applaus gibt oder Standing Ovations (später für Kogler und für den als EU-Frontmann abtretenden Michel Reimon), sondern es ruft auch immer jemand „Woo!“ oder „Woo-hoo!“, um seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen.

Unbestrittene Europameisterin in dieser Disziplin der Begeisterungsfähigkeit ist die Spitzenkandidatin der bayrischen Grünen, Katharina Schulze. Diese wird per Videobotschaft zugeschaltet. Schulze, blendend gelaunt, heftig gestikulierend, die Grenze zur Überdrehtheit fließend, wünscht den Austro-Grünen, deren Know-how sie in ihrem Wahlkampf nützen konnte, „viel Energie“. Und ihr Leitspruch „Herz. Nicht Hetze“, solle auch die österreichischen Grünen leiten.

Bei Schulze Anleihe nehmen will auch Martina Berthold. Sie ist die grüne Spitzenkandidatin für die kommende Bürgermeisterwahl in Salzburg. Die Grünen liegen hier mit Schwarz und Rot in den Umfragen gleichauf. „Zuversicht, Optimismus, Zug nach vorn“, das brauche es jetzt, so Berthold.

Vor einem Jahr sah die Welt noch düsterer aus. Aber auch die damalige Spitzenkandidatin, Ulrike Lunacek, zeigt sich auf dem Bundesparteitag, ebenso die Parteichefin von 2017, Ingrid Felipe, sowie die frühere Nationalratsabgeordnete Sigrid Maurer. Und auch Dieter Brosz ist gekommen. „Dass der sich hierher traut. Ein Totengräber dieser Partei“, raunt ein Grünen-Funktionär über Brosz, der viele Jahre gemeinsam mit dem damaligen Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner mit harter Hand die Grünen auf Linie zu halten versuchte. „Da gäbe es viel zu erzählen, wie das früher alles wirklich war“, sagt Brosz. Er sei jetzt als Unternehmensberater tätig. Politisch war er zuletzt in die Kampagne von Georg Willi eingebunden.

Und dann war da noch der Auftritt von Werner Kogler. In Jeans, Hemd, die Ärmel aufgekrempelt, wandelte er auf der Bühne hin und her. Mal sinnierend, mal polternd. Ein Auftritt im Stile eines Kabarettisten. (Selbst-)Ironisch rechnete er mit grünen Klischees, den Medien, auch den sozialen, ab. Und natürlich auch mit der Regierung, der er immerhin attestiert, „demokratisch legitimiert“ zu sein. Sonst aber nicht mehr viel. Der junge Kanzler sei „zukunftsvergessen“, Probleme in der Integration würden nicht gelöst, sondern aufgeblasen, Familien zerrissen, Ausbildungen zerstört.

Rudern statt sudern. Die FPÖ müsse man heute „rechtsextrem“ nennen, denn „rechtspopulistisch sei mittlerweile die ÖVP. Man mache sich mit Ungarn gemein, einem Land, in dem „Flüchtlings- und Menschenhatz Staats- und Parteidoktrin“ seien. Die SPÖ, so Kogler, sei im Sommer draufgekommen, dass es den Klimawandel gebe. „Da sind sie dann reingeradelt. Aber eh bergab.“ Und für die Grünen gelte ab jetzt: „Rudern statt sudern!“

Stefan Kaineder wird dann übrigens neu in den Bundesvorstand der Grünen gewählt. Mit 93 Prozent erzielt er das beste Ergebnis aller fünf neuen Vorstandsmitglieder. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2018)

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