Gastronomieunternehmen, eine Schülerin und die Wiener Landesregierung gehen gegen die türkis-blauen Raucherregeln vor. Der Umweltmediziner Manfred Neuberger erörterte dazu die Folgen des chronischen Passivrauches.
Es war eine der ersten Taten der türkis-blauen Bundesregierung: das Kippen des noch von der SPÖ-ÖVP-Vorgängerregierung beschlossenen absoluten Rauchverbots. Die Folge: Das von 881.569 Österreichern unterstützte „Don’t smoke“-Volksbegehren. Die Regierung blieb hart: Erst ab 900.000 Unterschriften soll es verbindliche Volksbefragungen geben – und erst ab 2022. Abgeschlossen ist die Causa damit trotzdem noch nicht: Am Mittwoch fand im Verfassungsgerichtshof eine öffentliche Verhandlung statt, um die Details des „Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes“ (TNRSG) zu klären.
Mehrere Antragsteller fordern die Aufhebung jener Bestimmungen, die der Gastronomie Raucherbereiche ermöglichen. Konkret orten zwei Gastronomieunternehmen, eine 16-jährige Schülerin bzw. ihr Vater sowie die Wiener Landesregierung Verfassungswidrigkeiten. Konkret: Ihrer Ansicht nach widerspricht die Gesetzeslage dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Außerdem sehen sie eine Ungleichbehandlung zwischen Lokalen mit und ohne räumliche Trennung und beanstanden, dass in den Nichtraucherräumen die Konzentration gefährlicher Schadstoffe hoch ist. Ein weiterer Kritikpunkt: die Gastronomie werde gegenüber anderen Gewerben bevorzugt.
Dazu komme, so heißt es etwa im Schriftsatz aus dem Wiener Rathaus, dass die Gastronomieregelung in die Erwerbsausübungsfreiheit von Arbeitnehmern eingreife. Denn diese hätten in der Regel keine Wahl, ob sie in einem Betrieb mit oder ohne Raucherbereich tätig sind. Auch die Gefährdung Jugendlicher wird beklagt. Für die Vertreter der Bundesregierung liegt die Regelung, so wurde am Mittwoch argumentiert, hingegen im „rechtspolitischen Ermessen" des Gesetzgebers - also in einem von der Verfassung gedeckten Rahmen.
Erkrankung von Lunge, Herz und Arterien
In der Verhandlung wurden auch Fragen zu den Unterschieden der Bestimmungen für die Gastronomie, für Hotels, Kantinen und Festzelte erörtert. Aber auch einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch die geltenden Regeln wurde breiter Raum gewidmet. Als geladener Sachverständiger referierte dazu der Umweltmediziner Manfred Neuberger.
Er berichtete von den Auswirkungen von chronischem Passivrauchen, das laut dem Arzt Erkrankungen der Lunge, des Herzens oder der Arterien zur Folge haben kann. Auch das Gedächtnis leide darunter, versicherte er. Da es keine Dosis gebe, in der die Schadstoffe gefahrlos seien, sei auch der Aufenthalt in den - meist ebenfalls belasteten - Nichtraucherbereichen in gemischten Lokalen ungesund.
Neuberger berichtete zudem von Studien aus Ländern, die das generelle Rauchverbot bereits eingeführt hätten. Diese haben laut dem Sachverständigen etwa ergeben, dass dort die Herzinfarkte um bis zu 20 Prozent zurückgegangen sind.
Der Verfassungsgerichtshof wird nun über die Causa beraten. Sein Ergebnis wird er, wie VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein sagte, entweder in schriftlicher Form oder im Rahmen einer mündlichen Verkündung mitteilen. Wann das geschehen wird, blieb offen.
Auf einen Blick
In Österreich ist seit 2009 ein "grundsätzliches" Rauchverbot in Lokalen in Kraft. Nach einer Übergangsfrist für Umbauarbeiten und einer Neuregelung dürfen seit Juni 2010 Gastronomen den Tabakkonsum nur mehr dann erlauben, wenn sie über abgetrennte Raucherzimmer verfügen oder die gesamte Verabreichungsfläche nicht größer als 50 Quadratmeter ist.
Durch den Lungenkrebs-bedingten Tod des bekannten Journalisten und Rauchers Kurt Kuch wurde die Debatte über das Rauchverbot Anfang 2015 neu entfacht. Wenige Monate später einigte sich die SPÖ-ÖVP-Regierung auf ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Im Dezember 2017 verkündete Türkis-Blau sodann, die Regelung zu kippen.
(APA/hell)