Nationalrat setzt ersten Schritt zur Kassenreform

Die derzeit neun Gebietskrankenkasse werden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengefasst.
Die derzeit neun Gebietskrankenkasse werden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengefasst. Clemens Fabry, Presse
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Am Donnerstag steht die umstrittene Reform der Sozialversicherungen zum Beschluss. Vorab wurde mit türkis-blauen Stimmen die Zusammenführung der Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben in einer Finanz-Behörde ermöglicht.

Über kaum ein Thema wurde in den vergangenen Wochen so oft diskutiert (und auf verschiedener Ebene demonstriert), wie über die Reform des Sozialverischerungssystems. Die Regierung will bekanntlich aus 21 Sozialversicherungsträgern fünf machen und damit einhergehend Posten und Kosten einsparen. Kritiker warnen vor der Schaffung einer "Dreiklassenmedizin" und der Zerstörung eines funktionierenden Systems. Bislang zeigte sich Türkis-Blau davon unbeeindruckt - und das dürfte auch so bleiben. Nach dem Beschluss im Ministerrat setzte der Nationalrat am Dienstagabend den nächsten Schritt in Richtung der Realisierung der Kassenreform.

Konkret erfolgte die Zusammenführung der Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben in einer Finanz-Behörde - ermöglicht mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ. Damit steht die Kassenreform am Donnerstag zum Beschluss.

SPÖ fürchtet um Pensionen und Gesundheitsversorgung

Der ehemalige Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) befürchtete im Rahmen der Debatte, dass mit der Übernahme der Prüfung durch den in der Finanzverwaltung angesiedelten "Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge" weniger Geld für Pensionen, die Gesundheitsversorgung und Gemeinden zur Verfügung stehen wird. Außerdem sieht er darin einen verfassungswidrigen Eingriff in die Selbstverwaltung.

Seitens der Neos würde Sepp Schellhorn die einheitliche Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben zwar begrüßen. Aber was die Regierung hier mache sei nur "Symbolik", kritisierte er. Es werde keine einheitliche Prüf- und Abgabenstelle geben, Doppelprüfungen - durch Sozialversicherung und Finanz - seien weiter möglich und Einsprüche müssten an unterschiedliche Stellen gerichtet werden.

Türkis-Blau will sich "Beamte nicht anpatzen" lassen

Der ÖVP-Abgeordnete Karlheinz Kopf sowie FPÖ-Staatssekretär Hubert Fuchs wiesen Stögers Kritik barsch zurück: Es sei "geradezu ehrenrühig gegenüber den Beamten der Finanz" zu behaupten, dass sie ihre Arbeit nicht gleichwertig jener der Sozialversicherungsmitarbeiter erledigen würden, empörte sich Kopf. "Wir lassen uns von Ihnen nicht unsere Beamten anpatzen", forderte Fuchs eine Entschuldigung.

Ab 1. Jänner 2020 soll anstelle der Gebietskrankenkassen und des Finanzamts der "PLAB" für die Lohnsteuer-, Sozialversicherungs- und Kommunalsteuerprüfung zuständig sein. Davon verspricht sich die Regierung eine einheitliche Rechtsauslegung, Bürokratieabbau und Einsparungen. In einem zweiten Schritt sollen sämtliche lohnabhängige Abgaben in Form einer einheitlichen Dienstgeberabgabe zusammengefasst werden, kündigte Fuchs an.

Eckpunkte der türkis-blauen Sozialversicherungsreform

Die derzeit 21 Träger werden auf fünf reduziert, der Hauptverband zu einem Dachverband und die Zahl der Funktionäre geschrumpft.

Die neun Gebietskrankenkassen (sowie weitere Betriebskrankenkassen) werden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengefasst. Den dort Versicherten soll das gleiche Leistungen für gleiche Beiträge bringen. Es wird nur noch eine Stelle für die Beitragseinhebung mit Budget- und Personalhoheit geben, die ÖGK schließt einen österreichweiten Gesamtvertrag für die Ärztehonorare ab. Bis 2021 sollen die Leistungen harmonisiert werden.

Bauern und Unternehmer kommen in der neuen Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) zusammen, dritter Sozialversicherungsträger wird die Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB). Die Pensionsversicherungsanstalt (PV) bleibt bestehen, ebenso die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die punkto Unfälle aber nicht mehr für die Unternehmer zuständig sein wird.

Weiters wird die Zahl der Kassenfunktionäre reduziert: statt mehr als 2000 sollen es künftig nur noch rund 480 sein. Die Zahl der Verwaltungsgremien schrumpft von 90 auf 50. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger wird "verschlankt" und zu einem Dachverband umgebaut, der nur mehr koordinierende Aufgaben für die Sozialversicherungen übernehmen soll. Den Vorsitz dort üben die Chefs der nun auf fünf reduzierten Sozialversicherungsträger aus, und zwar in jährlicher Rotation.

Der weitere Fahrplan: Die Beschlüsse im Nationalratsplenum und im Bundesrat sind für Dezember vorgesehen, womit das Gesetz per 1. Jänner 2019 in Kraft treten kann. Mit 1. April 2019 werden pro Träger Übergangsgremien zur Vorbereitung des Fusionsprozesses eingesetzt und neue leitende Mitarbeiter gesucht. Mit gleichem Datum will die Regierung die verordnete "Ausgabenbremse" bei den Sozialversicherungen wieder aufheben. Ab 1. Jänner 2020 soll die neue Kassenstruktur dann gültig sein.

(APA/hell)

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