Wen Österreichs Parteien in die Wahl schicken

Die SPÖ hat sich schon festgelegt, FPÖ, Grüne und Neos so gut wie. Nur die ÖVP hat sich noch nicht entschieden, ob sie mit Parteikritiker Othmar Karas ins Rennen gehen will.

Wien. Viele gute Nachrichten haben die Grünen in vergangener Zeit nicht verbreiten können, das ist zumindest eine: Parteichef Werner Kogler, der bei der EU-Wahl als Spitzenkandidat antreten will, kommt laut einer Umfrage von Spectra (1000 Telefoninterviews, im Auftrag der Grünen) auf hervorragende Werte. 60 Prozent der Befragten kennen ihn, in puncto Glaubwürdigkeit, Bodenständigkeit und Kompetenz schneidet er im eigenen Wählerpotenzial – also bei jenen 29 Prozent der Befragten, die sich prinzipiell vorstellen können, Grün zu wählen – weit besser ab als die ebenfalls abgefragten Andreas Schieder und Othmar Karas in ihrem Wählerpotenzial. Auch bei ÖVP- und SPÖ-Wählern erreicht Kogler teilweise hervorragende Werte.

Die Grünen werden ein gutes Ergebnis bei der EU-Wahl brauchen: Die erste bundesweite Wahl, seit sie aus dem Parlament geflogen sind, wird auch so etwas wie eine Schicksalswahl für die grüne Bewegung. Kein Wunder also, dass Parteichef Kogler selbst antreten will. Fix ist das aber noch nicht, Kogler muss erst am grünen Bundeskongress am 16. März nominiert werden. Und die grüne Basis ist bekanntlich immer für Überraschungen gut.

Schwarzer Kandidat bei den Türkisen?

Ebenfalls noch nicht fix ist der Spitzenkandidat bei der ÖVP. Sie hätte mit Othmar Karas zwar einen profunden Kenner der EU zur Verfügung, der aus Sicht der Parteispitze aber einen Makel aufweist: Karas ist definitiv kein Türkiser, sondern eindeutig ÖVP-alt. Und er scheut nicht davor zurück, seine Meinung offen zu sagen, auch wenn er damit die Parteispitze konterkariert. Geht Kanzler Sebastian Kurz trotzdem mit Karas in die Wahl oder findet er eine Alternative, etwa Staatssekretärin Karoline Edtstadler oder Umweltministerin Elisabeth Köstinger, die jahrelang im EU-Parlament war? Beide wären durchaus attraktive Spitzenkandidatinnen, mit dem Nachteil allerdings, dass eine Ablöse von Karas nicht friktionsfrei über die Bühne ginge.

Entschieden ist das Rennen dagegen bei zwei anderen Parteien: Die SPÖ hat bereits Andreas Schieder nominiert. Der langjährige Abgeordnete hat vergangenes Jahr zwei Tiefschläge einstecken müssen: In Wien hat er das Match um den Parteivorsitz gegen Michael Ludwig verloren, und die neue Parteichefin, Pamela Rendi-Wagner, hat ihn als Klubchef abgelöst. Die FPÖ hat zwar offiziell noch niemanden nominiert, Parteichef Heinz-Christian Strache hat sich aber schon auf Harald Vilimsky festgelegt.

Bei den Neos steht Claudia Gamon in der Pole-Position. Sie muss allerdings erst noch im Jänner Hearing, Onlinevoting und Mitgliederversammlung überstehen. Noch völlig offen ist, was „Jetzt“ (ehemals Liste Pilz) macht. Die Parlamentspartei, die in Umfragen bei zwei Prozent grundelt, brauchte dringend einen attraktiven Spitzenkandidaten. Das könnte der frühere grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber sein. Aber auch EU-Parlament-Enfant-terrible Hans-Peter Martin wurde gerüchteweise schon genannt. Endgültig wird man es spätestens am 12. April wissen. Bis dahin müssen die Parteien ihre Kandidatenlisten einreichen.

KANDIDATEN ÖSTERREICH

Othmar Karas (ÖVP). An ihm scheiden sich die Geister: Karas ist ein Schwergewicht im Europäischen Parlament, aber er passt nicht in die Führungsriege der Türkisen. Ob er trotzdem Spitzenkandidat wird, ist noch nicht entschieden.


Andreas Schieder (SPÖ). Das Match um den Wiener SPÖ-Chef verloren, als Klubchef abgelöst – jetzt darf sich Andreas Schieder auf europäischer Ebene versuchen.


Harald Vilimsky (FPÖ). Der FPÖ-Generalsekretär schmiedet im EU-Parlament Allianzen mit anti-europäischen Rechtsaußenparteien.


Claudia Gamon (Neos). Parteichefin Beate Meinl-Reisinger will mit der Abgeordneten und früheren Studentenpolitikerin in den Wahlkampf ziehen.


Werner Kogler (Grüne). Für die Grünen wird das eine Schicksalswahl, deshalb hat sich Parteichef Werner Kogler entschlossen, selbst anzutreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2019)

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