Geheime Daten und verschwundene Akten im BVT

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Im U-Ausschuss führten eine geheime ÖVP-Datenbank und ein Kabinettsakt, der zuerst verschwunden und dann bei einem Beschuldigten aufgetaucht sein soll, zu Diskussionen.

Wien. Es war schließlich doch spannender als erwartet. Der Untersuchungsausschuss zum Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) war zuletzt etwas abgeflaut – und nahm am Mittwoch wieder Fahrt auf. Grund dafür waren Daten, die beim Beschuldigten P. sichergestellt wurden, darunter eine Adressliste mit Kontakten hochrangiger ÖVPler. Weiters wurde ein Kabinettsakt diskutiert, den der ehemalige Präsidialchef des Innenministeriums, Michael Kloibmüller, bei seiner Vernehmung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu seiner Verteidigung vorlegte. Doch er arbeitete zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Innenministerium. In beiden Fällen stellte sich die Frage, wie die Beschuldigten an die Unterlagen kamen.

Die geheime ÖVP-Datenbank

Der ehemalige BVT-Spionageabwehrchef P. ist einer der Beschuldigten. Ursprünglich wurde ihm die Weitergabe von nordkoreanischen Passmustern an Südkorea vorgeworfen. Weiters kam es bei der Razzia in seinem Haus zu Zufallsfunden, die nun Gegenstand der Ermittlungen sind. Gefunden wurde etwa eine Datei unter anderem mit Adressen von hochrangigen ÖVPlern. „Die Presse“ berichtete darüber vor Monaten. Der Beschuldigte arbeitete früher im ÖVP-Parlamentsklub und gab an, in dieser Zeit Kontakte gesammelt zu haben. Außerdem ist er Mitglied im Cartellverband (CV), dem viele hochrangige ÖVPler angehören. Mitglieder haben die Möglichkeit, Kontaktdaten anderer abzufragen.

Diese Adressdatei war am Mittwoch wieder Thema im U-Ausschuss. Ein Beamter des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK) sagte aus, dass die Datensammlung auch Informationen einer ÖVP-Mitgliederliste enthalte, die über eine geheime ÖVP-Website aufrufbar seien. Er stellte in den Raum, dass P. auch Daten eingespeist haben könnte. Woher diese stammen, sei unklar. Otto Dietrich, Anwalt von P., sagt dazu zur „Presse“: „Die heute thematisierten Vorwürfe wurden bereits im Juli 2017 erhoben.

Tatsächlich gibt es weder eine geheime oder private ÖVP-Datenbank, die von meinem Mandanten betrieben wurde, noch kam es zu einer Einspeisung von Daten.“ Es gäbe auch keine Beweise, sondern nur in die Öffentlichkeit getragene Interpretationen eines Ermittlers, der dem Ausschuss auch mitgeteilt hat, dass Ermittlungen ohnehin noch liefen. Es wurde betont, dass es zu keinen illegalen Abfragen von BVT-Daten gekommen sei, die hier Niederschlag finden. Auch im Akt finden sich bisher keine Beweise. Auch die ÖVP gab am Mittwoch eine Stellungnahme ab. Die angesprochene „geheime ÖVP-Seite“ sei eine Datensammlung von Mitgliedern, auf die ÖVP-Führungspersonal Zugriff hätte. P. habe keine Zugangsberechtigung.

Von wandernden Akten

Etliche ursprünglich erhobene Vorwürfe gegen den ehemaligen Präsidialchef des Innenministeriums, Michael Kloibmüller, wurden bereits fallen gelassen. Gegen ihn wird noch in Zusammenhang mit dem deutschen Geheimagenten Werner Mauss ermittelt. Kloibmüller wird in einem anonymen Pamphlet vorgeworfen, hohe Zahlungen an Mauss getätigt zu haben – was nach „Presse“-Recherchen unwahr ist. Außerdem wird behauptet, Kloibmüller habe einen Akt mit einem Empfehlungsschreiben für Mauss verschwinden lassen.

Genau diesen Akt legte Kloibmüller bei seiner Vernehmung im Sommer vor – und das, obwohl er seit Monaten nicht mehr im Innenministerium tätig war. Gegenüber der „Presse“ sagt er: „Gegen mich wurde der Vorwurf erhoben, dass ich Akten verschwinden lasse. Um das Gegenteil beweisen zu können, habe ich beim Ausscheiden aus dem Innenministerium eine Kopie des Inhalts angefertigt, falls der Akt wirklich verschwindet.“ Diese Kopie habe er bei seinem Anwalt hinterlegt und eben dann zur Vernehmung mitgenommen.

Der Originalakt sei freilich im Archiv verblieben, später von der WKStA angefordert worden – und von Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka auch zur Verfügung gestellt und übermittelt worden. Oppositionspolitiker hatten am Mittwoch in den Raum gestellt, dass Sobotka Kloibmüller den Akt vielleicht als Hilfe für einen alten Vertrauten habe zukommen lassen. Kloibmüller stellte das in Abrede.

Manipulierte Akten?

Apropos Mauss: Dieses Thema betrifft auch Ex-Spionageabwehrchef P. – denn er führte und bearbeitete den Akt zu dem berüchtigten Geheimagenten. BAK-Ermittler und Zeuge B. sagte am Mittwoch aus, dass der Akt „elektronisch manipuliert“ worden sei. Auch das stellt der Anwalt von P. in Abrede. Es sei gar nichts manipuliert worden, der Akt sei schlicht bearbeitet worden.

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