Wifo rät Regierung, Steuerausnahmen radikal zu streichen

 Margit Schratzenstaller
Margit SchratzenstallerClemens Fabry, Die Presse
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Dass Türkis-Blau im Zuge der Steuerreform erst die unteren Einkommen entlasten will, sei sinnvoll, sagt Budgetexpertin Margit Schratzenstaller. Nur einzelne Ausnahmen punktuell zu beseitigen bringe nichts: "Da ruft man immer Lobbys auf den Plan."

Die Regierung hat sich in Mauerbach eingefunden, um in Klausur zu gehen. Am Donnerstag, dem ersten Tag des Aufenthalts, stand dabei die Steuerreform auf der Agenda. Bisher gibt es aber nur Eckdaten, es sind noch einige Fragen offen. Fest steht: die Reform soll schrittweise umgesetzt werden und Entlastungen in Höhe von 6,3 Milliarden Euro bringen, wenn man den Familienbonus miteinrechnet. Im kommenden Jahr soll es Entlastungen für Kleinverdiener und -unternehmer geben, 2021 eine Anpassung der Steuertarife, 2022 Maßnahmen zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandorts. Details sollen folgen.

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Das Wirtschaftsforschungsinstitut stellte den bisher bekannten Plänen am Freitag ein grundsätzlich positives Zeugnis aus. Ihre eigenen Ziele könne die Regierung erreichen und die zeitliche Staffelung der Maßnahmen sei richtig und sinnvoll, sagte Budgetexpertin Margit Schratzenstaller. Was sie vermisst: Eine entschlossenere Vereinfachung der Einkommensteuer und eine stärkere Ökologisierung des Steuersystems.

Zwar habe Türkis-Blau "durchaus angekündigt, mit steuerlichen Anreizen hier umweltfreundliches Verhalten anzuregen", meinte sie im Ö1-"Morgenjournal", es gebe aber noch zwei weitere Säulen, die angegangen werden sollten: "Die radikale Durchforstung von umweltschädlichen steuerlichen Ausnahmen, da gibt es eine Reihe davon im österreichischen Steuersystem, und das Zweite ist die stärkere Nutzung von Umweltsteuern."

Schratzenstaller: Türkis-blaue Ziele erreichbar

Schratzenstaller geht davon aus, dass die Regierung das selbst erklärte Ziel, die Steuer- und Abgabenquote bis 2022 auf 40 Prozent zu senken, mit der Steuerreform erreichen kann. Um trotz der Steuersenkung weiterhin Budget-Überschüsse zu erzielen, müsse die Regierung zwar noch über zwei Milliarden Euro einsparen. Sollte das nicht gelingen, drohe aber nur ein kleines Defizit von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit wohl kein Verstoß gegen die EU-Budgetregeln, erwartet Schratzenstaller: "Selbst wenn sie die ausgabenseitigen Maßnahmen nicht durchsetzen können, wäre das von den EU-Vorgaben her kein Problem."

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Eine konkrete Einschätzung der einzelnen Maßnahmen ist für Schratzenstaller zwar noch schwierig, weil noch wenige Details bekannt sind. Die Priorisierung der Maßnahmen - nämlich zuerst die unteren Einkommen bei der Sozialversicherung zu entlasten - hält sie aber für "richtig und sinnvoll". "Der Faktor Arbeit ist in Österreich deshalb so hoch belastet, weil ein guter Teil der sozialen Sicherheit nach dem Bismarck-System über die Lohnsummen finanziert wird", sagte Schratzenstaller. Es brauche daher eine Umschichtung von Sozialbeiträgen und weiteren lohnsummenbasierten Abgaben zu den allgemeinen Steuern.

Einzelne Ausnahmen punktuell zu streichen, bringe nichts

Zum weiteren Fahrplan der Steuerreform konnte Schratzenstaller wenig sagen, weil über die ab 2021 geplanten Entlastungsschritte noch wenig bekannt ist. "Ich glaube, dass es tatsächlich die Priorität sein muss, dass man vor allem die unteren und mittleren Arbeitseinkommen entlastet", so die Wifo-Budgetexpertin. Bisher sei hier jedoch nur das Gesamtvolumen bekannt, nicht aber die geplanten Maßnahmen.

Was Schratzenstaller vermisst ist eine "entschlossenere Vereinfachung des Einkommensteuer-Systeme". Außerdem plädiert die Wifo-Expertin für eine stärkere Nutzung von "wachstums- und beschäftigungsverträglichen Steuern" wie der Grundsteuer.

Eine Vereinfachung des Steuersystems hat die Regierung zwar angekündigt, bisher aber nur in Ansätzen (Stichwort: höhere Pauschalierungen) vorgelegt. Schratzenstaller räumte zwar ein, dass das Streichen von Ausnahmen im Steuerrecht unpopulär wäre, rät der Regierung aber gerade deshalb zu einem großen Wurf: "Der einzige Ansatz wäre, sämtliche Ausnahmen im Steuersystem radikal auf den Prüfstand zu stellen. Dann hat man die budgetären Spielräume, die Steuersätze zu senken." Nur einzelne Ausnahmen punktuell zu beseitigen bringe nichts: "Da ruft man immer Lobbys auf den Plan."

>>> Schratzenstaller im Ö1-"Morgenjournal"

(APA/Red.)

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