Nur noch ein Frauennotruf? Expertinnen kritisieren "populistische Ankündigungen"

Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß, ÖVP
Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß, ÖVPAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Der bestehende Notruf sei zu lang, sagt Frauenministerin Bogner-Strauß. Durch "interne Umschichtungen" will sie an mehr Geld für den Gewalt- und Opferschutz kommen. Expertinnen sind kritisch und orten ein völlig "kontraproduktives" Tun.

Eine neue, dreistellige Notrufnummer für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Eine Bannmeile, mehr Plätze in Frauenhäusern, respektive Übergangswohnungen und strengere Strafen. So lauten die Pläne der Regierung, um für mehr "Frauensicherheit" zu sorgen. Vorhaben, die bei der Opposition auf Kritik gestoßen sind und auch bei der Vorsitzenden des Österreichischen Frauenrings, Klaudia Frieben, auf Skepsis stoßen. Sie ortet dahinter "populistische Ankündigungen".

"Wir wissen, dass Gewalt gegen Frauen keine Frage der Herkunft der Täter ist, sondern vorrangig eine Frage von Machtverhältnissen", betonte sie. Bei den Tätern handele es sich in den meisten Fällen um den (ehemaligen) Partner der Frau. Außerdem, so Frieben: "(Außenministerin, Anm.) Karin Kneissl spricht davon, dass Frauen sich auf der Straße nicht mehr sicher fühlen könnten, die meiste Gewalt passiert aber in den eigenen vier Wänden." Auch vor der Flüchtlingskrise seien die Frauenhäuser in Österreich überfüllt gewesen.

Die Ankündigung einer neuen Notrufnummer ist für sie überdies nicht nachvollziehbar. Die bereits bestehende Frauen-Helpline 0800/222-555 sei seit vielen Jahren etabliert und rund um die Uhr besetzt. Wichtiger wäre es, "endlich Geld in die Hand zu nehmen und die umfassenden Maßnahmen im Bereich Prävention, Opferschutz und Täterarbeit umsetzen", meinte sie.

Wie Bannmeile von 50 Metern kontrollieren?

Auch Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser verteidigt die bestehende Hotline. "Eine zweite Nummer ist einfach kontraproduktiv, meiner Meinung nach", beanstandete sie am Freitag im Ö1-"Morgenjournal". Damit werde mehr Chaos ausgelöst, anstatt Ordnung und Orientierung geschaffen.

Wie die von der Regierung am Donnerstag angekündigte Bannmeile von 50 Metern kontrolliert werden solle, erschließe sich nicht. Dass höhere Strafen die Zahl der Gewaltdelikte verringern würde, glauben die Expertinnen ebenso nicht. Schon jetzt würden nur etwa zehn Prozent der eingebrachten Anzeigen eine Verurteilung nach sich ziehen, so Rösslhumer. "Wir haben ein hohes Strafausmaß und wir würden uns wünschen, dass dieses Strafausmaß wirklich umgesetzt wird. Dass die Justiz diesen Strafrahmen auch nützt", fügt sie hinzu. Die Täter würden sich von strengeren Strafen nicht abschrecken lassen, prophezeit sie.

Drohung mit Abschiebung "kontraproduktiv"

Das Vorhaben von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), straffällig gewordenen, bereits anerkannten Flüchtlingen schon nach kleineren Delikten wie Diebstahl oder Körperverletzung den Asylstatus aberkennen zu wollen und nach Straftaten generell schneller abzuschieben, stößt bei Kriminalsoziologin Katharina Beclin auf Missfallen. "Dann trauen sich ja Freundinnen und Partnerinnen überhaupt nicht mehr anzuzeigen", warnte sie im ORF-Radio. "Es wäre aber gerade wichtig, dass sie die kleinen, die weniger schweren Gewalttaten anzeigen bevor es eskaliert." Das sei völlig "kontraproduktiv".

ÖVP-Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß, die am Donnerstag gemeinsam mit Außenministerin Karin Kneissl (von der FPÖ nominiert) und der ÖVP-Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler, die Maßnahmen vorgestellt hat, rechtfertigte diese am Freitag. Wer könne schon in einer Notsituation eine zehnstellige Nummer aus dem Gedächtnis abrufen, konterte Bogner-Strauß gegenüber Ö1 der Kritik am Vorhaben, einen dreistelligen Frauennotruf einführen zu wollen. "Und deshalb wird es in Zukunft nur mehr eine Nummer geben und das wird die dreistellige Nummer sein."

Frauenministerin bestreitet finanzielle Fehler

Dass es ein Fehler gewesen sei, im Vorjahr und auch heuer etlichen Fraueninitiativen die finanziellen Mittel zu kürzen, bestritt die Ministerin. "Ganz und gar nicht", betonte sie im ORF-Radio. "Wir haben das Geld in Richtung Opfer- und Gewaltschutz verschoben. Wir haben bereits 2018 200.000 Euro mehr in die Hand genommen für den Gewalt- und Opferschutz." Außerdem habe man den Frauen- und Mädchenberatungsstellen "das Geld wieder zur Gänze zugesagt" – und sie werde auch heuer mehr Geld in die Hand nehmen, auch für Männerberatungsstellen.

Weiters hielt sie fest: Keiner ihrer Amtsvorgängerinnen sei es gelungen, mehr Gelder aufzubringen, sprich, das Frauenbudget zu erhöhen: „Und ich schaffe das erstmals 2019, indem ich zehn Prozent mehr Geld für den Gewalt- und Opferschutz in die Hand nehme.“ Woher die Summen kämen? Aus interne Umschichtungen und Rücklagen, meinte Bogner-Strauß.

>>> Bericht im Ö1-"Morgenjournal"

(hell)

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