Deutsche Justizministerin wirft Kickl Sabotage des Rechtsstaats vor

Social Democratic Party (SPD) holds a fraction meeting in Berlin
Social Democratic Party (SPD) holds a fraction meeting in Berlin(c) REUTERS (Michele Tantussi)
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Katarina Barley richtet mahnende Worte an den österreichischen Innenminister. Auch die FDP kritisiert den Freiheitlichen: "Die Menschenrechtskonvention schützt uns vor Politikern wie Herrn Kickl."

Die Aussage von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), dass das Recht der Politik folgen müsse, "nicht Politik dem Recht", sorgt auch in Deutschland für Aufregung. Die deutsche Justizministerin Katarina Barley (SPD) wirft Kickl in der Onlineausgabe "Süddeutschen Zeitung" (SZ) vor, den Rechtsstaat zu "sabotieren". Auch die FDP kritisierte die Aussagen des Innenministers scharf.

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"Die Politik muss sich gegenüber dem Recht verantworten und nicht umgekehrt", sagte Barley zur SZ. Die Justizministerin der Bundesrepublik übte massive Kritik an dem FPÖ-Politiker. "Als Innenminister sollte Herr Kickl den Rechtsstaat verteidigen und ihn nicht mit Worten sabotieren", so Barley. Die Juristin ist Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Europawahl im Mai. Auch ihr österreichischer Kollege, Justizminister Josef Moser (ÖVP), hatte Kickl wegen seiner Aussage kritisiert.

"Eine Schande"

Es sei "eine Schande", dass Kickl "Stellung gegen europäische Grundwerte bezieht", wurde indes der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle in dem Bericht zitiert. Der Bundestagsabgeordnete betonte den Stellenwert des Europarats und der Grundrechte. "Gerade die Europäische Menschenrechtskonvention schützt uns vor Politikern wie Herrn Kickl", meinte Kuhle.

An anderer Stelle im politischen Berlin fühlte man sich mit Blick auf Kickls Äußerungen sogar an das Rechtsverständnis von Carl Schmitt (1888-1985) erinnert, hieß es in dem Bericht. Der umstrittene Staatsrechtler hatte den Versuch unternommen, die nationalsozialistische Diktatur juristisch zu legitimieren.

Deutsch: "Innenminister beschämt Mehrheit der Österreicher"

Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien hob im Gespräch mit der SZ den essenziellen Stellenwert der von Kickl infrage gestellten Menschenrechtskonvention hervor. "Die Republik ist der Menschlichkeit verpflichtet, und zwar gegenüber jedem Menschen", sagte Deutsch. Der Kern der Menschenrechtskonvention seit nicht zuletzt unter dem Eindruck von Millionen Shoa-Opfern entstanden, dem Holocaust. "Der Innenminister liegt nicht nur falsch, sondern er beschämt die überwältigende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher", sagte Deutsch.

>> zum Exklusivbericht auf "SZ.de"

Auf einen Blick

FPÖ-Innenminister Herbert Kickl hat am Dienstagabend im ORF-"Report" angekündigt, Grundregeln hinterfragen zu wollen, denn, man müsse darauf achten, nicht über die eigenen Gesetze zu stolpern. Vielfach seien dies in den Augen Kickls "irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt aus ganz anderen Situationen heraus entstanden", über die er eine Debatte führen möchte - und erntete umgehend Kritik seitens der Opposition und von Richter-Präsidentin Sabine Matejka sowie Rückendeckung aus der FPÖ.

Aus den Reihen des Koalitionspartners ÖVP meldete sich Justizminister Josef Moser zu Wort, der betonte: "In einem Rechtsstaat steht das Recht an oberster Stelle." In der österreichischen Verfassung sei klar geregelt, dass die gesamte Verwaltung nur auf Basis der Gesetze ausgeübt werden dürfe. "Ich bin mir sicher, dass auch der Bundesminister Kickl sich daran halten wird", so Moser, mit dem Kickl seit dem Jahreswechsel einen öffentlichen Zwist lebt - Thema: Asyl.

Am Donnerstag meldete sich schließlich Kanzler Kurz zu Wort und betonte am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos, er habe mit Kickl telefoniert und ihm "sehr klar meine Meinung gesagt".

(APA)

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