Die „immerwährende Neutralität“ ist politisch bequem, flexibel interpretierbar – und bei der Bevölkerung beliebt. Aber ist sie auch noch zeitgemäß? Die Republik ist heute eher emotional neutral.
Wien. Wer hier die Parteilinie vorzeichnet, und wer von ihr abweicht, dürfte Ansichtssache sein: Ist es Othmar Karas, der aus dem ÖVP-Programm zitiert? Oder Sebastian Kurz, der eine skeptischere Meinung vertritt? Ob sich die Volkspartei langfristig eine EU-Armee wünscht, hängt jedenfalls davon ab, an wen man die Frage richtet. Karas, langjähriger EU-Abgeordneter und Spitzenkandidat der ÖVP bei der Wahl am 26. Mai, antwortet klar mit Ja. Er fordert eine weitreichende, gemeinsame europäische Verteidigungspolitik. Und verweist auf das Parteiprogramm, das erst 2015 neu verfasst wurde: „Eine zentrale Zukunftsfrage stellt die Weiterentwicklung hin zu einer Verteidigungsunion mit dem langfristigen Ziel einer gemeinsamen europäischen Armee dar“, ist dort zu lesen.
Das mag schon sein, ist aus der ÖVP zu hören. Aber eine EU-Armee sei ohnehin in naher Zukunft nicht realistisch. Man sei einer Meinung mit dem Koalitionspartner. Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) hat schon vor einigen Wochen gemeint: „Für Österreich als neutrales Land ist eine gemeinsame EU-Armee kein Thema.“ Innerhalb der ÖVP formuliert man es am Mittwoch nur etwas diplomatischer: „Es braucht eine verstärkte und besser koordinierte Sicherheits- und Verteidigungspolitik innerhalb der Europäischen Union“, heißt es. „Wichtig ist aber, dass bei aller Kooperation die Neutralität Österreichs gewahrt ist.“