Wie die Pflege gesunden soll

Die Zahl der zu Pflegenden steigt aufgrund der zunehmend alternden Bevölkerung stetig an.
Die Zahl der zu Pflegenden steigt aufgrund der zunehmend alternden Bevölkerung stetig an.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Private Pflegekräfte fordern mehr Geld und Freizeit, sonst droht Streik. Türkis-Blau will Pflege zu Hause fördern, erhöht aber die Mittel eher für jene, die einen Heimplatz haben.

Wien. Nun drohen Pflegekräfte mit Streik. Die Kollektivverhandlungen für die rund 100.000 Privatbeschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich gingen am Donnerstag in die vierte Runde. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) hat bereits eine Streikfreigabe erteilt. Protestmaßnahmen können nun also sofort ergriffen werden, wenn wieder keine Einigung zustande kommt.

Die Streitpunkte: Die Gewerkschaften GPA-DJP und Vida fordern sechs Prozent Gehaltserhöhung. Die Arbeitgeber haben ihr Angebot vorige Woche nach 18 Stunden Verhandlungen auf 2,5 Prozent aufgebessert. Außerdemwollen die Arbeitnehmervertreter eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich und die sechste Urlaubswoche für alle.

Personalmangel

Bessere Arbeitsbedingungen für Fachkräfte im Pflegebereich – das ist ein erster Schritt für einen grundlegenden Systemwandel, denes im Pflegebereich dringend braucht. Die Gesellschaft altert, die zu Pflegenden werden mehr – jene, die diese Arbeit verrichten, aber nicht. Dafür steigen die Kosten – und gleichzeitig finden die Menschen mit dem Pflegegeld immer weniger Auskommen, weil es schon lang nicht mehr valorisiert wurde und damit an Wert verliert. Auch die Einstufung an sich ist ein Problem – denn sie deckt häufig nicht den wirklichen Bedarf ab. Wie man eingestuft wird, daran hängt aber ein Rattenschwanz anderer Bestimmungen.

Die Regierung arbeitet an einem Maßnahmenbündel zum Thema Pflege: So wurde angekündigt, den Pflegeberuf attraktivieren und eine Imagekampagne machen zu wollen. Bessere Arbeitsbedingungen wie flexiblere Arbeitszeiten und bessere Bezahlung wären wichtige Schritte – ein positiver Abschluss der laufenden KV-Verhandlungen wäre demnach auch symbolisch dringend nötig.

Die Bundesländer ihrerseits planen, die Ausbildungsplätze zu erhöhen. So kündigte das Sozialressort des Landes Oberösterreich am Donnerstag an, die Ausbildungsplätze verdoppeln zu wollen – zum Teil sollen diese Ausbildungen dann auch in landwirtschaftlichen Schulen möglich sein, die Ausbildung soll an sich flexibler werden.

Der große Andrang auf Ausbildungsplätze blieb in den vergangenen Jahren allerdings aus. Die Zahl der Absolventen ist in Oberösterreich seit 2015 rückläufig. Dazu ist österreichweit das Phänomen zu beobachten, dass viele Junge wieder aus dem Beruf aussteigen.

Geldmangel

2017 bezogen rund 460.000 Personen Pflegegeld. Der Bund gab dafür rund 2,5 Milliarden Euro aus. Die FPÖ fordert seit Langem eine Valorisierung des Pflegegeldes. Eine Erhöhung ab Pflegestufe vier ist zwischen Türkis und Blau akkordiert. Insgesamt gibt es sieben Pflegestufen – ab Stufe vier können Heimplätze in Anspruch genommen werden, die dann auch vom Pflegegeld bezahlt werden. Insofern handelt es sich bei einer Erhöhung ab Stufe vier auch um eine intransparente Querfinanzierung der Länder, die für die Finanzierung der Pflegeheime aufkommen.

Rund die Hälfte aller zu Pflegenden befindet sich in Pflegestufe 1 und 2 – diese Personen werden zu Hause betreut. Die Regierung hat angekündigt, Pflege zu Hause fördern zu wollen – dazu brauchte es aber wohl auch mehr Geld, damit sich pflegende Angehörige Betreuungsdienste besser leisten können.

Denn auch das ist eine Kostenfrage – die unterschiedlichen Betreiber von mobilen Diensten verlangen unterschiedliche Selbstbehalte. Diese müssen Betroffene und deren Angehörige nach wie vor selbst bezahlen – mit dem Pflegeregress wurden nur jene entlastet, die ihre Verwandten in eine Pflegeeinrichtung geben.

FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein hat zuletzt verkündet, dass die Valorisierung schon ab Pflegestufe drei vorgenommen werden soll – und auch für die Stufen 1 und 2 sei eine solche für sie denkbar. Dafür müsse man mit dem Finanzminister sprechen, meinte sie.

Im ÖVP-Finanzministerium will man sich gegenüber der „Presse“ vorerst nicht dazu äußern. Verhandlungen seien am Laufen. Auch wie das Pflegesystem an sich künftig finanziert werden kann, wird derzeit evaluiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2019)

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