BVT-U-Ausschuss: Zeugin P. an der Grenze "der Würde des Hauses"

BVT-U-AUSSCHUSS: MIKESI / STRAUSS / BURES
BVT-U-AUSSCHUSS: MIKESI / STRAUSS / BURESAPA/HANS PUNZ
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Drei Zeugen sagten aus: unter anderem zu mutmaßlichen ÖVP-Netzwerken im Verfassungsschutz. Die umstrittene BVT-Mitarbeiterin Ria-Ursula P. lieferte eine bizarre Befragung.

Nach einer fast vierwöchigen Pause setzt der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Causa um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) heute seine Zeugenbefragungen fort. Einerseits geht es dabei erneut um die Vorwürfe politischer ÖVP-Netzwerke im Innenministerium, andererseits um Ermittlungsdaten in einem Fall rund um die ehemalige ÖH-Vorsitzende und Grünen-Abgeordnete Sigrid Maurer.

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Konkret geht es hierbei um den Vorwurf, dass Ermittlungsdaten nicht ordnungsgemäß gelöscht worden seien. Zu diesem Themenkomplex gab am Dienstagvormittag der frühere ÖH-Pressesprecher Georg G. Auskunft. Überraschend: Seine Daten wurden tatsächlich erst 2016 gelöscht, obwohl die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sowie BVT-Direktor Peter Gridling sich schon 2011 für die Datenspeicherung entschuldigt hatten. Dass die Daten dennoch nicht gelöscht worden waren, erfuhr G. 2015. Auch sei sein Löschungsansuchen 2016 im Kabinett des damaligen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) gelandet.

Danach werden Ria-Ursula P. vom BVT und Sandra R. vom Innenministerium zum Themenbereich schwarze Netzwerke im Innenressort befragt. Dieser Vorwurf stammt - genauso wie die illegale Datenspeicherung - aus dem berühmt-berüchtigten Konvolut, in dem ein anonymer Autor - oder mehrere Autoren - Vorwürfe gegen das BVT sammelten und anschließend öffentlich machten. Aufgrund des Konvoluts begann die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ursprünglich auch zu ermitteln. Die Razzia im BVT, die schlussendlich im Februar 2018 stattfand, begründete man durch Erkenntnisse, die man aus Zeugengesprächen mit BVT-Mitarbeitern davor erlangt habe - Ria-Ursula P. war eine dieser Zeuginnen.

P. streitet Wortlaut von Vorwürfen ab

Bei Ria-Ursula P., die schon im Oktober im U-Ausschuss Rede und Antwort stehen musste, gibt es die Vermutung, dass sie eine Nutznießerin der "schwarzen Seilschaften" gewesen sei: Sie soll ihren Job nicht aufgrund fachlicher Qualifikation, sondern durch gute Beziehungen erhalten haben. Die "Du-Freundschaft" P.s mit Mikl-Leitner, der jetzigen Landeshauptfrau Niederösterreichs, wurde bereits im Rahmen des U-Ausschusses angesprochen. In P.s erster Befragung hatte sie nichts vorbringen können, das strafrechtlich relevant war.

P.s Befragung verlief dann sehr zäh und teils skurril. Ein großer Teil der Befragung drehte sich um ein Interview, das P. am Tag vor ihrer ersten Befragung im U-Ausschuss im Oktober 2018 der "Kronen-Zeitung" gegeben hatte. Darin erhob sie schwere Vorwürfe, die sie im U-Ausschuss nicht aussprach. So sprach sie von "Sex-Attacken und Mobbing" im BVT, und dass ihr gedroht worden sei, ihr würden "sämtliche Finger gebrochen werden", wenn sie etwas sage. Begleitet wurde P. zu dem Interview von ihrem Vater, einem hochrangigen früheren ÖVP-Politiker in Niederösterreich. Der Artikel und die darin von P. erhobenen Vorwürfe sind Gegenstand von Ermittlungen gegen P. - wegen Verleumdung.

Auch wegen Amtsmissbrauch und Verletzung der Amtsverschwiegenheit wird gegen P. ermittelt. Sie versuchte sich deswegen öfter der Aussage zu entschlagen - und sorgte mit ihren teils äußerst selbstbewussten Antworten oftmals für Kopfschütteln in den Abgeordnetenreihen, zuletzt gar für eine sehr scharfe Mahnung der Ausschussvorsitzenden Doris Bures (SPÖ), die P. darauf hinwies, die Würde des Hauses nicht zu verletzen.

"Als Sektionsleiterin brauchst du wen"

Dass sie dank politischer Intervention ins BVT gekommen sei, wie das unter anderem von BVT-Chef Peter Gridling behauptet wird, wies P. zurück. "Sie tun ja grad so, als wäre ich Sektionsleiterin geworden, ich war nur Verwaltungspraktikantin", sagte P., die 2015 als Praktikantin zum BVT gekommen war und neun Monate später fix übernommen wurde: "Als Sektionsleiterin brauchst du wen, aber Verwaltungspraktikanten gibt es hunderte in den Ministerien."

Dass für sie Theresa H., die zur gleichen Zeit als Praktikantin ins BVT kam, übergangen worden sein soll, wollte P. nicht bemerkt haben. "Ich wusste, dass es die Theresa H. gibt, aber ich wusste nicht, wer für welche Planstelle vorgesehen ist. Ich habe angenommen, dass wir gleichzeitig übernommen werden, weil wir zeitgleich begonnen haben", sagte P. Als das aber nicht passiert sei, sei H. "wirklich sauer" auf sie gewesen: "Aber ich konnte nichts dafür."

Das Gerücht, wonach sie die Fragen ihrer A1-Dienstprüfung gekannt habe, wies P. empört als "bösartige Unterstellung" zurück. Das sei technisch gar nicht möglich. "Da sind 20 Module, die über einen längeren Zeitraum zu absolvieren sind. Pro Modul gibt es ein bis zwei Lehrer. Jeder dieser Lehrer müsste korrupt sind. Das finde ich eine ziemliche Unterstellung. Das ist auch technisch nicht möglich. Das muss ein Dummkopf sein, der das sagt."

Ernst Strasser, "der Polizei-Zerstörer"

Als dritte und letzte Zeugin wurde BVT-Mitarbeiterin Sandra R. befragt. Sie sollte zu mutmaßlich politischen Postenbesetzungen im BVT Auskunft geben. Der Polizistin war es mehrmals ein Dorn im Auge, wenn Kollegen nach ihrer Wahrnehmung nicht geeignet oder ausgebildet für ihre Funktionen im Verfassungsschutz waren. In einem E-Mail schrieb die Chefinspektorin etwa, "dass Nichtsahnende das BVT überschwemmt haben". Wie solche Personen ins BVT gekommen seien, könne sie nicht beurteilen, sagte R., die nach Eigenangaben 1991 als erste Frau die Polizeischule absolviert hatte.

Von ihrer Einschätzung nicht ausgenommen ist auch der ehemalige Spionagechef Bernhard P., Beschuldigter in der BVT-Affäre. "Er ist ein netter Kerl", meinte R., aber sie habe es so empfunden, "dass er für die Leitung des sensibelsten Referates in der operativen Abteilung nicht die beste Wahl war". Die BVT-Beamtin bezeichnete den Spionagechef in dem E-Mail als "unantastbar" - wegen seiner "Beziehung zur ÖVP". Es sei bekannt gewesen, dass P. vorher im Parlament gewesen sei und viele im Ministerkabinett kenne. Wenn P. Weisungen zunächst nicht ernst genommen habe und das dann vom Tisch war, habe es Gerüchte gegeben, dass er es sich "gerichtet" habe, sagte R. Sie sprach in ihrer Befragung allerdings sehr oft von "Bassena-Gerüchten".

Aufhorchen ließ R. mit der Aussage, dass der ehemalige Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) "bei uns der Polizei-Zerstörer genannt wird", weil er Verwaltungsbeamte und Polizisten vermischt habe. Das führe zu Konflikten, "weil im operativen Bereich Leute ohne entsprechender Ausbildung arbeiten". Eine gewisse Anzahl an Unqualifizierten "druckt man noch durch", aber "wenn die Dummheit genügend große Ausmaße angenommen hat, dann wird sie unsichtbar", sagte R. mit Verweis auf ein Zitat vom Schriftsteller Bertolt Brecht.

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