Angeklagte über "Gedächtnisverlust" von Grassers Ex-Pressesprecher empört

Die Angeklagten Rudolf Fischer, Peter Hochegger, Anwalt Norbert Wess, der Angeklagte Karl-Heinz Grasser und Anwalt Manfred Ainedter im Wiener Straflandesgericht
Die Angeklagten Rudolf Fischer, Peter Hochegger, Anwalt Norbert Wess, der Angeklagte Karl-Heinz Grasser und Anwalt Manfred Ainedter im Wiener Straflandesgericht Roland Schlager, APA
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Er sei "beruflich" der engste Vertraute von Ex-Minister Grasser gewesen, sagt Matthias Winkler. Vor Gericht fehlte ihm dann aber zu vielen Themen die Wahrnehmung. Zwei Angeklagte empört die "selektive Wahrnehmung" des Zeugen.

14 Monate hat es gedauert bis im Wiener Landesgericht für Strafsachen erstmals Zeugen zu den Affären Buwog und Terminal Tower befragt werden. Unter den ersten war sogleich ein Prominenter: Matthias Winkler, heute Chef des Hotel Sacher, einst Pressesprecher und Kabinettchef des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser. Seinen Auftritt im Großen Schwurgerichtssaal nutzte Winkler sogleich, um seinen einstigen Vorgesetzten am Mittwoch als beliebten Chef zu loben und sich selbst als dessen "beruflich" engsten Vertrauten zu skizzieren. Nach inhaltlichen Dingen - Terminen und Unterlagen rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen - gefragt, beteuerte er hingegen vehement, "keine Wahrnehmung" zu haben.

Letzteres ein Umstand, der am Donnerstag bei zwei Angeklagten für Unmut sorgte: Der frühere Vorstand der Telekom Austria, Rudolf Fischer, und der einstige Lobbyist Peter Hochegger widersprachen Winkler vehement. Winkler sei nicht nur Pressesprecher gewesen, sondern die "zentrale Drehscheibe" im Finanzministerium, sagte Fischer gleich zu Verhandlungsbeginn. Er könne sich selbst erinnern, dass Winkler bei ihm zu einer 25.000-Euro-Spende der Telekom für eine Regierungskampagne zur Pensionsreform nachgefragt hatte.

Fischer: "So alt ist der Herr Winkler nicht"

Dass Winkler von einer "politischen Landschaftspflege" nichts wusste, wie er als Zeuge unter Wahrheitspflicht ausgesagt hat, versetzte Fischer ebenfalls in emotionale Wallung: Er sei ja schon bei einigen Hauptverhandlungen gewesen und wisse daher, dass manche Personen am Zeugenstuhl von "selektiver Wahrnehmung" befallen würden. Er verstehe nicht, warum die Menschen im Zeugenstand nicht einfach die Wahrheit sagen könnten. "Ich habe mich geärgert, man sitzt da und plötzlich tritt der Gedächtnisverlust ein. So alt ist der Herr Winkler nicht", meinte Fischer.

>>> Liveticker von Winklers Befragung zum Nachlesen

Unmittelbar darauf meldete sich Hochegger zu Wort und bestätigte die Aussagen von Fischer. Er selbst habe die 25.000 Euro dann abgerechnet. 2004 sei er in der Angelegenheit von den Grünen angezeigt worden, bei der Einvernahme habe er, wie er es zuvor mit Winkler abgesprochen habe, die Unwahrheit gesagt. Bei einer weiteren Einvernahme 2011 habe er dann seine frühere Falschaussage richtig gestellt. Denn die Abrechnung der Gelder sei über Winkler erfolgt und nicht durch ihn, sagte Hochegger.

Worum geht es konkret? Richterin Marion Hohenecker hatte am Mittwoch einen Schriftverkehr auf die Leinwand im Gerichtssaal projizieren lassen und Winkler damit konfrontiert. Den Unterlagen zufolge plante die damalige Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), mit honorigen Professoren eine Werbekampagne für eine Pensionsreform durchzuführen. Die Kosten dafür sollten staatsnahe Betriebe und Interessenvereinigungen übernehmen - unter anderem die Telekom Austria. Winkler betonte mehrfach, dazu "keine Wahrnehmung" zu haben.

Ex-Finanzstaatssekretär Finz für Dienstag geladen

Die für Donnerstagvormittag eigentlich geplante Befragung einer Zeugin fiel übrigens kurzfristig aus: Die Frau ließ sich entschuldigen. Richterin Hohenecker entschied daraufhin, mit der Verlesung der Vernehmungsprotokolle des am 10. Jänner verstorbenen ehemaligen Generaldirektors der Raiffeisen Oberösterreich Ludwig Scharinger zu beginnen. Er war auch angeklagt, ist aber krankheitsbedingt nie im Großen Schwurgerichtssaal erschienen.

Scharinger hatte demnach im Ermittlungsverfahren betont, dass die Raiffeisen keine Provision gezahlt habe, weil man grundsätzlich an Externe keine Provisionen bezahlt habe. Der mitangeklagte Immobilienmakler Ernst Karl Plech sei betreffend des Geschäftsfalls Linzer Terminal Tower an ihn herangetreten und wollte über eine Maklerprovision sprechen, er sei aber nicht darauf eingegangen.

Am Nachmittag wurde ein ehemaliger Kabinettsmitarbeiter von Grasser als Zeuge befragt. Er charakterisierte Grasser als "sehr strengen Chef", man habe "sehr viel leisten müssen", außerdem sei der Minister bei Dienstreisen kostenbewusst vorgegangen. Um seine Mitarbeiter gekümmert habe sich Grasser jedenfalls und sei auch zuweilen in der Kantine des Finanzministeriums essen gegangen. Zu den Anklagevorwürfen konnte der Zeuge sodann nichts sagen: Er sei mit den Privatisierungsvorgängen rund um die Buwog und mit der Einmietung der Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower nicht befasst gewesen, hielt er fest.

Am kommenden Dienstag werden die Zeugenauftritte mit dem ehemaligen Finanzstaatssekretär Alfred Finz (ÖVP) fortgesetzt - die "Presse" wird wieder live berichten.

Buwog/Terminal Tower - auf einen Blick

Causa Buwog: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 Bestechungsgeld geflossen ist (9,6 Millionen Euro). Gekommen sein soll das Geld von dem im Bieterverfahren siegreichen Österreich-Konsortium um Immofinanz und RLB OÖ – geflossen über Umwege auf diverse Konten. Die Zahlung ist seit 2009 erwiesen, offen ist die Frage: Hat der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser Informationen weitergegeben, um sich (und andere) zu bereichern? Und: Teilten sich Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech und der Lobbyist Peter Hochegger die Provision auf?

Causa Terminal Tower: Wie beim Buwog-Deal soll auch hier ein „Tatplan“ (bei Privatisierungsprojekten serienweise „mitschneiden“) befolgt worden sein. Und zwar: Grasser soll einen Teil der 200.000-Euro-Provision eingesteckt haben, die für die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer Terminal Tower geflossen sein soll.

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, lediglich Peter Hochegger legte ein Teilgeständnis ab. Es gilt die Unschuldsvermutung.

(hell/APA)

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