Sicherungshaft: "Schnellschüsse werden das Problem nicht lösen"

Die Presse
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Mit der Untersuchungshaft und einer Zuweisung in die Psychiatrie gebe es bereits Maßnahmen, die angewandt werden könnten, sagen Fachleute zu den "Sicherungshaft"-Vorhaben der Regierung.

Experten sind skeptisch, was die Pläne der Bundesregierung für eine Sicherungshaft betrifft. Kriminalsoziologe Norbert Leonhardmair vom Vienna Center for Societal Security (Vicesse) sprach sich am Dienstag gegen Einschränkungen des Rechtsstaats aus. Leonhardmair verwies - wie auch die Soziologin Veronika Hofinger im "Kurier" - auf die bereits bestehenden Möglichkeiten.

Hintergrund der aktuellen Überlegungen seien der Mord in Vorarlberg beziehungsweise der Fall Brunnenmarkt in Wien, erklärte Leonhardmair: "Das lässt sich beschreiben als Behördenversagen. Meist ist im Nachhinein klar, dass diese Personen amtsbekannt waren, die unterschiedlichen Stellen aber nicht miteinander kommunizierten oder Maßnahmen, die möglich gewesen wären, nicht ergriffen wurden."

"Kann keine Inhaftierung ohne triftigen Anlass geben"

Diese Probleme seien schwieriger anzugehen als Maßnahmen wie Strafverschärfungen oder den Zugriff auf Personen anzukündigen, gab der Soziologe weiters zu bedenken. Im Falle psychischer Erkrankungen gebe es bereits jetzt die Möglichkeit einer Unterbringung oder des Maßnahmenvollzugs. Auch gebe es schon heute die Möglichkeit der Untersuchungshaft, so ein Tatverdacht besteht. "Juristische Schnellschüsse werden das Problem nicht lösen", die vorhandenen Interventionsmöglichkeiten sollten zunächst ausgeschöpft werden, meinte Leonhardmair.

Auch die Soziologin Veronika Hofinger warnte im "Kurier" vor einer Präventivhaft und verwies auf die bereits vorhandenen Möglichkeiten einer Untersuchungshaft. Stellt jemand für sich und andere eine Gefahr dar, könne er auch gegen seinen Willen in der Psychiatrie angehalten werden. Die Terrorismusgesetze würden auch das Eingreifen im Planungsstadium erlauben, so Hofinger weiter. Ihrer Meinung nach brauche es keine neuen Haft-Möglichkeiten, sie betonte auch: "Es kann keine Inhaftierung ohne triftigen Anlass und ohne geregeltes Verfahren mit einem unabhängigen Richter geben."

Der Jurist und Strafrechtsexperte Alois Birklbauer von der Universität Linz erklärte in der "Wiener Zeitung" am Dienstag: "Die Fragen, nach welchen Kriterien hier vorgegangen werden soll und wer die Sicherungshaft verhängt, sind noch unbeantwortet." Laut dem Innsbrucker Strafrechtsexperten Klaus Schwaighofer kann das bei der derzeitigen Rechtslage nur dann funktionieren, wenn Straftatbestände geschaffen werden, die schon Vorbereitungshandlungen miteinbeziehen. Schon jetzt gebe es Formen der Präventivhaft, verwies Birklbauer etwa auf die Untersuchungshaft.

(APA)

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