Ein „Regierungsgipfel“ zum Thema Sicherungshaft

ÖVP-Kanzler Kurz und SPÖ-Landeshauptmann Doskozil gehen in der Frage, wie man mit potenziell gefährlichen Menschen umgehen soll, getrennte Wege.
ÖVP-Kanzler Kurz und SPÖ-Landeshauptmann Doskozil gehen in der Frage, wie man mit potenziell gefährlichen Menschen umgehen soll, getrennte Wege.(c) EXPA/Picturedesk.com
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Kanzler Kurz will in den kommenden Tagen die Linie festlegen. Den Doskozil-Vorschlag lehnt er ab: Dieser komme einer Präventivhaft gleich und sei nicht menschenrechtskonform.

Wien. Justizminister Josef Moser nutzte seine Ansprache beim Juristenball Samstagnacht in der Wiener Hofburg zu einem klaren Bekenntnis zum Rechtsstaat, und zwar gleich doppelt. Zunächst erinnerte Moser noch einmal an das Gedenkjahr 2018 und den 80. Jahrestag der Machtübernahme der Nationalsozialisten, denen sich auch die Justiz gefällig gemacht habe. „Rechtsstaatlichkeit und Grund- und Freiheitsrechte müssen eingehalten werden“, sagte Moser und erntete dafür spontanen Applaus der versammelten juristischen Community.

Moser weiter, und zwar diesmal explizit vor dem Hintergrund der Debatte, ob das Recht der Politik zu folgen habe (so Innenminister Herbert Kickl) oder die Politik dem Recht, sowie zur Diskussion über die ebenfalls von Kickl ins Spiel gebrachte Sicherungshaft: „Ich werde mit aller Entschiedenheit dafür eintreten, dass die Rechtsstaatlichkeit erhalten bleibt und die Grund- und Freiheitsrechte nicht gefährdet werden.“

Der Justizminister wird bald Gelegenheit haben, dies dem Innenminister noch einmal persönlich zu erklären. Kanzler Sebastian Kurz plant in den kommenden Tagen eine Art „Regierungsgipfel“ zum Thema Sicherungshaft, bei dem dann die Gesetzesmaßnahme festgezurrt werden soll. Neben Kurz, Kickl und Moser sollen auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenministeriumstaatssekretärin Karoline Edtstadler daran teilnehmen.

Gefährliche Asylwerber

„Wir wollen zügig einen Gesetzesvorschlag vorlegen, der rechtlich hält und eine Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber ermöglicht. Dafür brauche es konkrete Verdachtsmomente und klar definierte Straftatbestände sowie richterliche Kontrolle, um Willkür zu verhindern“, so Kurz. Dornbirn dürfe sich nicht wiederholen. Asylwerber, die gefährlich sind, müssten in Sicherungsverwahrung genommen werden können.

Dem Vorschlag von SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der dies auch auf Österreicher ausgedehnt wissen will, erteilt der Kanzler eine Absage: Dies wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Europäische Menschenrechtskonvention. „Wir wollen eine rechtlich saubere Lösung. Unser Vorschlag betrifft nur gefährliche Asylwerber und wird dem nationalen, internationalen und EU-Rechtsrahmen entsprechen. Verschärfungen im Bereich Gewaltschutz, wie sie Doskozil vorschwebten, seien bereits im Strafrechtspaket geplant.

Keine Präventivhaft

Auch Staatssekretärin Karoline Edtstadler meinte am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“: Eine Sicherungshaft sei etwas anderes als eine Präventivhaft. Die geplante Sicherungshaft solle nur mit einer richterlichen Genehmigung verhängt und zeitlich begrenzt werden. Sie betonte zudem, dass es sich bei dem Vorhaben um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handle, die schon in 20 europäischen Staaten umgesetzt sei. Und zwar als Teil der EU-Aufnahmerichtlinie.

So sei im Anlassfall, der tödlichen Messerattacke auf einen Beamten in Vorarlberg, die Verhängung von Schubhaft nicht möglich gewesen, weil das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Diese Lücke müsse geschlossen werden, so Edtstadler. Es gehe hier um vorbestrafte, besonders gewaltbereite Personen und solche, die mit Drogenmissbrauch zu tun hätten. „Das sind Faktoren, die einbezogen werden sollen.“

„Ich bin ganz klar dafür, dass das ein Richter genehmigen muss.“ Der von der FPÖ ins Spiel gebrachte Rechtsschutzbeauftragte solle als Plus dazukommen, aber nicht den Richter ersetzen, meinte Edtstadler.

Asylsystem umstellen

In ihrer Rolle als ÖVP-Kandidatin für die kommende EU-Wahl meinte Edtstadler: Sie sei für ein „starkes Europa“ – etwa in der Asyl- und in der Finanzpolitik. Man müsse die Zuwanderung nach Europa stoppen, gleichzeitig trete sie für ein gesamteuropäisches Asylsystem ein. „Wir müssen das bisherige System umstellen“, wonach 90 Prozent des Geldes für jene ausgegeben würden, die es nach Europa schafften. (kom/oli/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2019)

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