Sozialhilfe: Große Aufregung, aber nur kleine Änderungen

Grundsätzlich bleibt die Regierung bei ihrer Linie: Es soll weniger Geld geben, vor allem für Nichtösterreicher.
Grundsätzlich bleibt die Regierung bei ihrer Linie: Es soll weniger Geld geben, vor allem für Nichtösterreicher. (c) REUTERS (ANDREA COMAS)
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Große Aufregung, aber nur kleine ÄnderungenSozialhilfe. Die Bundesregierung segnet heute ihre Reform der Mindestsicherung im Ministerrat ab. Auf die breite Kritik ging sie ein – aber nur bei einzelnen Punkten. Jetzt muss die Novelle das Parlament passieren. Und dann?

Wien. Es war vielleicht auch Hoffnung, die aus den Landeshauptleuten sprach. Vor allem aber sollte es eine Kampfansage sein: „Es wird so nicht kommen“, sagte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Und sein Genosse und Landeshauptmann in Kärnten, Peter Kaiser, meinte: „Mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit“ werde das Gesetz nicht so beschlossen. Hier sprach nicht nur die Opposition, sondern auch der jeweilige Landeschef, der die Regelung umsetzen müsste.
Sie kommt allerdings doch, nur in leicht abgewandelter Form: Die Bundesregierung wird heute, Mittwoch, die Reform der Mindestsicherung im Ministerrat beschließen. Als nächsten Schritt wandert der Gesetzesvorschlag ins Parlament und soll von den Regierungsparteien beschlossen werden. Allen Warnungen und heftiger Kritik zum Trotz soll es nur kleine Änderungen am Entwurf geben. Es könnte also zu grober – oder noch gröberen – Verwerfungen zwischen Bund und SPÖ-geführten Bundesländern kommen.

Die zuständige Sozialministerin, Beate Hartinger-Klein (FPÖ), hatte einzelne Korrekturen schon angekündigt: Menschen, die zu sechs Monaten (oder mehr) bedingter oder unbedingter Haft verurteilt werden, sollen doch nicht schlechtergestellt werden. Sie hätten für die Dauer der Freiheitsstrafe die Mindestsicherung nicht erhalten dürfen. Rechtsanwälte, aber auch das Justizressort hatten massive Zweifel an diesen Plänen. Die Kürzung der Sozialhilfe könnte zu hohen Rückfallraten führen. Die türkis-blaue Regierung nahm ihre Pläne also zurück.

Änderungen bei Wohngemeinschaften

Auch bei Wohngemeinschaften von Menschen mit Behinderung kündigte Hartinger-Klein Änderungen an. Im ursprünglichen Entwurf wollte man das Sozialgeld für erwachsene Menschen, die in einer Wohngemeinschaft leben, kürzen. Das Kalkül dahinter: Oft wohnen anerkannte Flüchtlinge in WGs, um sich die Miete leisten zu können. Um bei der Gruppe zu kürzen, die die Regierung mit der Reform treffen wollte, planen ÖVP und FPÖ einen Deckel für Wohngemeinschaften.

Damit würden in Zukunft allerdings auch Menschen mit Behinderung, die oft in therapeutischen Wohngemeinschaften oder bei Verwandten leben, schlechtergestellt. Außerdem wurde im ersten Entwurf ein eigener Zuschuss für Menschen mit Behinderung festgelegt. Allerdings nur als Kann-Bestimmung. Die Regierung könnte nun, um auf Kritiker zu reagieren, eine Verpflichtung daraus machen.

Grundsätzlich bleibt die Regierung allerdings bei ihrer Linie: Es soll weniger Geld geben, vor allem für Nichtösterreicher.

Drittstaatsangehörige, EU- und EWR-Bürger müssen fünf Jahre in Österreich sein, bevor sie die Sozialhilfe erhalten können. Für den vollen Betrag muss man allerdings Sprachkenntnisse vorweisen können: Deutsch ab Niveau B1 oder Englisch auf Niveau C1. Wer die beiden Sprachen noch nicht so gut beherrscht, bekommt 300 Euro weniger. Auch das soll hauptsächlich dazu führen, dass anerkannte Flüchtlinge weniger Sozialhilfe erhalten. Die Differenz auf die volle Geldleistung erklärt die Regierung als Sachleistung. Damit sollen also Sprachkurse für Asylberechtigte finanziert werden.

Subsidiär Schutzberechtigte (also Menschen, die kein Asyl erhalten, aus anderen Gründen aber in ihrer Heimat bedroht wären), erhalten die Mindestsicherung in Zukunft gar nicht mehr. Sie fallen (übrigens wie Asylwerber, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben) zurück in die geringere Grundversorgung.

Die Mindestsicherung soll in Zukunft übrigens auch gar nicht mehr so heißen – sondern offiziell Sozialhilfe genannt werden. Der Grund liegt etwas länger in der Vergangenheit zurück: Bis Ende 2016 wurde die Mindestsicherung in einer 15-a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern einheitlich geregelt. Nachdem man sich aber auf keine Verlängerung einigen konnte, galten danach in jedem Bundesland andere Richtlinien. Auch heute gibt es unterschiedliche Vorstellungen – ja nach Land und Partei.

Weniger Geld für Familien

Die Regierung will also per Gesetz zumindest einen Rahmen vorgeben. Dabei handelt es sich aber nicht um Mindestbeträge, die an Betroffene fließen sollen. Sondern eben um Maximalbeträge: 863 Euro für eine Person, maximal 1208 Euro für Paare. Großfamilien erhalten auch weniger: Für das erste Kind gibt es 216 Euro, für das zweite Kind 130 Euro und ab dem dritten Kind gibt es fünf Prozent. Hier will die Regierung auch keine weiteren Änderungen vornehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2019)

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