Was die Regierung bei der Mindestsicherung ändern will

Austria's Chancellor Kurz and Social Minister Hartinger-Klein address the media in Vienna
Austria's Chancellor Kurz and Social Minister Hartinger-Klein address the media in ViennaREUTERS
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Heute segnet die Regierung ihre Reform der Mindestsicherung im Ministerrat ab. Sie soll 2020 in Kraft treten, davor muss aber sie von den Ländern umgesetzt werden. Die Koalition ging auf die breite Kritik ein - in einzelnen Punkten.

Es war vielleicht auch Hoffnung, die aus den Landeshauptleuten sprach. Es sollte aber kein Wunsch sein, den sie ausdrücken wollten – sondern eher eine Kampfansage: „Es wird so nicht kommen“, sagte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Und sein Genosse und Landeshauptmann in Kärnten, Peter Kaiser, meinte: „Mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit“ werde das Gesetz nicht in dieser Form beschlossen. Hier sprach nicht nur die Opposition, sondern auch der jeweilige Landeschef, der die Regelung umsetzen müsste.

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Nun – es wird so kommen, nur in sehr leicht abgewandelter Form: Heute, Mittwoch, will die Bundesregierung die Reform der Mindestsicherung im Ministerrat absegnen. Im Mai sollen ÖVP und FPÖ den Gesetzestext im Parlament beschließen. Damit wäre der Rahmen für die Bundesländer vorgegeben: Bis 2020 müssten sie ihre eigenen Regelungen an die Vorgaben aus dem Bund anpassen. Anfang des kommenden Jahres könnten sie schon in Kraft treten. Allen Warnungen und der heftigen Kritik zum Trotz gibt es nur kleine Änderungen am Entwurf. Es könnte also noch zu groben (oder noch gröberen) Verwerfungen mit manchen SPÖ-geführten Ländern kommen.

In zwei Punkten gibt die Bundesregierung allerdings nach – oder präzisiert den Gesetzestext, wie sie es lieber formuliert: Menschen, die zu sechs Monaten (oder mehr) bedingter oder unbedingter Haft verurteilt werden, sollen doch nicht schlechtergestellt werden. Werden sie frühzeitig aus der Haft entlassen, erhalten sie die Mindestsicherung. Rechtsanwälte, aber auch das Justizressort hatten massive Zweifel an dem ursprünglichen Gesetzestext geäußert. Die Kürzung der Sozialhilfe hätte zu hohen Rückfallraten führen können.

Änderungen bei Wohngemeinschaften

Auch bei Wohngemeinschaften von Menschen mit Behinderung sind nun Anpassungen vorgesehen. Im ursprünglichen Entwurf wollte man das Sozialgeld für erwachsene Menschen, die in einer Wohngemeinschaft leben, kürzen. Das Kalkül dahinter: Oft wohnen anerkannte Flüchtlinge in WGs, um sich die Miete leisten zu können. Um bei der Gruppe zu kürzen, die die Regierung mit der Reform treffen wollte, planen ÖVP und FPÖ einen Deckel für Wohngemeinschaften.

Damit würden in Zukunft aber auch Menschen mit Behinderung, die oft in therapeutischen Wohngemeinschaften oder bei Verwandten leben, schlechtergestellt. Diese Fälle werden ausgenommen. Außerdem wurde im ersten Entwurf ein eigener Zuschuss für Menschen mit Behinderung festgelegt – als Kann-Bestimmung, die die Länder umsetzen können oder nicht. Nun soll der Bonus (160 Euro) verpflichtend sein. Einen Zuschlag gibt es auch für Alleinerziehende, er bleibt allerdings als freiwillige Leistung der Länder bestehen.

Wartefrist von fünf Jahren für Nicht-Österreicher

Auch sonst hält die Regierung an ihren Plänen fest: Nicht-Österreicher müssen fünf Jahre im Land sein, bevor sie die Sozialhilfe erhalten können. Eine Ausnahme sind anerkannte Flüchtlinge, die Inländern gleichgestellt sein müssen. Für die vollen Leistungen werden allerdings bestimmte Sprachkenntnisse verlangt: Deutsch ab Niveau B1 oder Englisch auf Niveau C1. Wer die beiden Sprachen noch nicht so gut beherrscht, bekommt 300 Euro weniger. Dieses Geld wandert in das Budget der Länder, die davon Sprachkurse finanzieren sollen. Geben sie weniger aus, bleibt der Restbetrag im Länder-Topf.

Subsidiär Schutzberechtigte (Menschen, die kein Asyl erhalten, aber in ihrer Heimat bedroht wären), erhalten die Mindestsicherung in Zukunft gar nicht mehr. Sie fallen in die geringere Grundversorgung.

Die Mindestsicherung soll in Zukunft übrigens auch gar nicht mehr so heißen – sondern offiziell Sozialhilfe genannt werden. Der Grund liegt etwas länger in der Vergangenheit zurück: Bis Ende 2016 wurde die Mindestsicherung in einer 15-a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern einheitlich geregelt. Nachdem man sich aber auf keine Verlängerung einigen konnte, galten danach in jedem Land andere Richtlinien.

Weniger Geld für Familien

Die Regierung nutzt nun ihre rechtlichen Möglichkeiten und gibt einen Rahmen für die Länder vor. Dabei handelt es sich aber nicht um Mindestbeträge, die an Betroffene fließen sollen. Sondern eben um Maximalbeträge – die Länder dürfen also nicht mehr überweisen: 885 Euro für eine Person, maximal 1239 Euro für Paare. Großfamilien erhalten in Zukunft weniger Geld: Für das erste Kind gibt es 221 Euro, für das zweite Kind 132 Euro, für das dritte 44 Euro. Hier will die Regierung auch keine weiteren Änderungen vornehmen.

Alle Beträge orientieren sich übrigens an dem Netto-Ausgleichzulagenrichtsatz – einem Wert, der Menschen ein Mindesteinkommen zusichern soll und jährlich angepasst wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2019)

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