Grasser-Prozess: "Da ging Vibration durch's Ressort"

GRASSER PROZESS: GRASSER
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Verhandlungstag 85 "War man seiner Meinung, war alles wunderbar", sagte Gerhard Steger, Ex-Chef der Budgetsektion, über Karl-Heinz Grasser. Claudia Sterrer-Pichler, einst Vize-Sektionsleiterin der Präsidialsektion, rückte indes den Ex-Kabinettchef des Finanzministers ins Zentrum der Causa Buwog.

Zwei „Zahlenmenschen“ gaben sich am Dienstag im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen die Klinke in die Hand. Und auch zwei, die sich nicht gerne aneinander erinnern. Zuerst war Gerhard Steger, ehemals Chef der Budgetsektion im Finanzministerium, als Zeuge geladen, um über die umstrittene Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaften im Jahr 2004 und seinen damaligen Vorgesetzten, Karl-Heinz Grasser, auszusagen. Nach ihm war Claudia Sterrer-Pichler an der Reihe, ihres Zeichens ehemals stellvertretende Sektionsleiterin der Präsidialsektion im Finanzministerium. Beide Male wurde es emotional.

Der Reihe nach: Steger war zwischen 1997 und 2014 Chef der Budgetsektion im Finanzministerium und galt als einer der mächtigsten Beamten Österreichs. Von 1999 bis 2000 war er außerdem Aufsichtsratchef der Buwog und saß auch in der Auswahlkommission, die im Vorfeld der Privatisierung von Buwog und Co. eingerichtet worden ist. Mit Grasser, der von Februar 2000 bis Jänner 2007 Finanzminister war, habe er sich zunächst gut verstanden, sagte der habilitierte Politikwissenschaftler und deklarierte Sozialdemokrat bei seiner Einvernahme. Er habe Grasser sogar zum Schwammerlessen zu sich nach Hause eingeladen, „was mir meine Frau bis heute vorwirft“.

Als sich der Minister dann aber von der FPÖ losgesagt habe und „bei der ÖVP untergeschloffen ist“, habe sich das Verhältnis verschlechtert, so der 61-Jährige, der den Charakter seines einstigen Vorgesetzten so skizzierte: „Immer, wenn man mit ihm einer Meinung war, war alles wunderbar“, war man das nicht, konnte Grasser „grantig“ werden und jemanden „unter Druck setzen“.

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Zu der Rolle der Auswahlkommission befragt, wurden die Erinnerungen Stegers dann „schemenhaft“. Er habe an Sitzungen teilgenommen und hätte dabei sein sollen, als am 4. Juni 2004 erstmals die Angebote für die Bundeswohnungsgesellschaften bei einem Notar geöffnet wurden. Allerdings sei er kurzfristig verhindert gewesen – den Grund dafür wisse er nicht mehr. Anwesend seien daher nur der Notar und Heinrich Traumüller, damals bereits Ex-Kabinettchef, aber nach wie vor im Finanzressort tätig, gewesen. Konfrontiert mit seinen früheren Aussagen zur Kommission („sie war zum Kren Reiben“, ein „aufgeblasenes Luftgebilde“), sagte Steger am Dienstag: Er stehe zu dieser Beschreibung und habe dem nichts hinzuzufügen.

Emotional wurde es im denkmalgeschützten Gerichtssaal, als Steger zu Sterrer-Pichler gefragt wurde. „Jössas na“, meinte er, „ich muss höflich bleiben“. Er habe sie für fachlich nicht sonderlich versiert gehalten und sei deshalb auch einmal „Länge mal Breite“ mit ihr „zusammengekracht“. Süffisanter Nachsatz: „Es lag an mir, selbstverständlich.“ Sterrer-Pichler reagierte am Nachmittag ähnlich ungehalten, als sie Stegers Namen hörte. Dieser wollte sie loswerden, meinte sie – ihr Ansprechpartner sei daher weniger er, denn der einstige Pressesprecher und damals schon Kabinettchef von Grasser, Matthias Winkler, gewesen, den sie mehrfach als „Mastermind“ bezeichnete. Ihrer Meinung nach habe Winkler Grasser zum nächsten Kanzler der Republik machen wollen, daher habe alles, was zum Minister sollte, zuerst bei ihm landen müssen.

"Haaresbreiter" Unterschied und ein ominöser Akt

Angesprochen auf den 4. Juni 2004, meinte Sterrer-Pichler, damals sei Traumüller plötzlich in ihrer Tür gestanden, habe gemeint „Claudia, jetzt haben wir ein Problem“ und sei dann ins Ministerbüro, zu Winkler, „abgerauscht“. Was das Problem war? Ihrer Meinung nach, dass der „falsche“ Bieter vorne lag – nämlich die CA Immo und nicht das „Österreich-Konsortium“ um Immofinanz und Raiffeisen Landesbank Oberösterreich. „Da ging Vibration durch’s Ressort“, schilderte sie. Traumüller habe das zwar nicht so gesagt, sie habe das aber „so wahrgenommen“. Am 7. Juni 2004 sei daher bei einer Sitzung eine zweite Bieterrunde beschlossen worden und aus der sei dann das „Österreich-Konsortium“ siegreich hervorgegangen.

Allerdings: nur „um Haaresbreite“, so die Zeugin. Auch das habe sie stutzig gemacht: „Mit fällt es als Finanzmensch schwer, Übereinstimmungen für Zufälle zu halten“, kommentierte sie die final gebotenen 960 Millionen Euro der CA Immo zu den finalen 961 Millionen Euro des „Österreich-Konsortiums“.

Das Dritte, das sie verwundert habe sei dann – nach der Privatisierung – gewesen, dass ein Akt auf ihrem Tisch gelandet sei, in dem andere Zahlen bezüglich der Transaktion gestanden hätten, als „nach außen“ kommuniziert worden war. Als sie Winkler darauf angesprochen habe, habe er ihr den Akt weggenommen und gemeint, er kümmere sich darum: „Es hat sich bei mir ein ungutes Gefühl verdichtet“, gesagt habe sie aber nichts mehr, da sie befürchtet habe, selbst belangt zu werden.

Die Vorwürfe auf einen Blick

Causa Buwog: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 Bestechungsgeld geflossen ist (9,6 Millionen Euro). Gekommen sein soll das Geld von dem im Bieterverfahren siegreichen Österreich-Konsortium um Immofinanz und RLB OÖ – geflossen über Umwege auf diverse Konten. Die Zahlung ist seit 2009 erwiesen, offen ist die Frage: Hat der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser Informationen weitergegeben, um sich (und andere) zu bereichern? Und: Teilten sich Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech und der Lobbyist Peter Hochegger die Provision auf?

Causa Terminal Tower: Wie beim Buwog-Deal soll auch hier ein „Tatplan“ (bei Privatisierungsprojekten serienweise „mitschneiden“) befolgt worden sein. Und zwar: Grasser soll einen Teil der 200.000-Euro-Provision eingesteckt haben, die für die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer Terminal Tower geflossen sein soll.

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, lediglich Peter Hochegger legte ein Teilgeständnis ab. Es gilt die Unschuldsvermutung. 

Parteispenden-Affäre: Richterin Marion Hohenecker hat entschieden, dass Korruptionsverfahren um die Causa „schwarze Kassen“ auszuweiten. Diese „Kassen“ sollen einst von Hochegger (er ist also an beiden Fronten angeklagt) mit Geld der Telekom Austria gefüllt worden sein. Zweck laut Anklage: Die damalige Unternehmensführung habe Reserven haben wollen, um Politiker bei Bedarf gewogen stimmen zu können. Dieser Komplex soll im Herbst/Winter erstmals im Großen Schwurgerichtssaal erörtert werden. 

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