Kassenreform: Überleitungsgremien nehmen Arbeit auf

Matthias Krenn und Arnulf Prasch bei der Generalprobe zum Wenn die Musi spielt Sommer Open Air 2017
Matthias Krenn und Arnulf Prasch bei der Generalprobe zum Wenn die Musi spielt Sommer Open Air 2017(c) imago/Future Image (Susanne Nömer)
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Mit 1. April arbeiten die neuen Gremien in den fünf neuen, zusammengelegten Sozialversicherungsträgern. Chef der "Österreichischen Gesundheitskasse" wird ein Hotelier.

Die neuen Gremien in den fünf zusammengelegten neuen Sozialversicherungsträgern nehmen am 1. April ihre Arbeit auf. Mit Montag wurden auch die neuen Topjobs in den Kassen fix, "Die Presse" berichtete bereits. Am Montag wiesen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und ÖVP-Klubchef August Wöginger Kritik an der Reform erneut zurück.

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Für die aus den neun Gebietskrankenkassen entstehende Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) wird auf Arbeitgeberseite der freiheitliche Wirtschaftskammer-Vizepräsident Matthias Krenn als erster Obmann gewählt. Er wird zunächst den Überleitungsausschuss und dann ab 1. Jänner 2020 den Verwaltungsrat der ÖGK führen. Danach soll er sich mit dem von der Arbeitnehmerseite nominierten derzeitigen Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse, Andreas Huss, im Halbjahresrhythmus abwechseln.

In der aus Selbstständigen und Bauern zusammengelegten Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS) wird der Welser Unternehmer Peter Lehner, bisheriger Obmann-Stellvertreter in der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Obmann. Die mit Eisenbahn und Bergbau fusionierten Beamten übernimmt der Vorsitzende der Beamten-Gewerkschaft, Norbert Schnedl. In der PVA sollen sich der Metallergewerkschafter Peter Schleinbach und der von der Arbeitgeberseite entsandten Fachverbandsobmann der Personenbetreuer, Andreas Herz, abwechseln. Die AUVA soll künftig der von den Arbeitgebern nominierte Wiener Unternehmer und derzeitige stellvertretende Vorsitzende der Landesstelle für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Mario Watz, als Obmann übernehmen.

Hotelier wird Krankenkassen-Chef: "Enorme Kompetenz"

Die Überleitungsausschüsse arbeiten bis Jahresende parallel mit den derzeit bestehenden Gremien der 21 Träger und gehen dann mit 1. Jänner 2020 automatisch in identer personeller Besetzung in den jeweiligen Verwaltungsrat über. In den neuen Gremien sitzen jeweils sechs Arbeitgeber- und sechs Arbeitnehmervertreter.

Die Kritik, dass mit Krenn nun ein Arbeitgeber und Hotelier die ÖGK führt, wiesen Hartinger-Klein und Wöginger zurück. Die Sozialministerin attestierte ihm "enorme Kompetenz", nachdem er schon jahrelang in den Hauptverbandsgremien mitgearbeitet habe. Für Wöginger ist Krenn als Bürgermeister von Bad Kleinkirchheim "bestens geeignet" für den neuen Job. Eine politische Umfärbung konnten weder Hartinger-Klein noch Wöginger erkennen. Dass es in der SVS und der BVA keine Rotation an der Spitze gibt, verteidigte Wöginger damit, dass diese Träger "andere Voraussetzungen" hätten.

Ministerin will Kosten nicht beziffern

Hartinger-Klein und Wöginger beharrten trotz anderslautender Kritik darauf, dass die Reform bis 2023 insgesamt eine Milliarde Euro Einsparungen bringen werde. Die Sozialministerin verwies darauf, dass die Zusammenlegung der Pensionsversicherungsanstalten von Arbeitern und Angestellten zwar zunächst 115 Millionen Euro gekostet habe, aufgrund der Produktivitätssteigerung komme man inzwischen aber auf jährliche Einsparungen von 52 Millionen Euro.

Die Fusionskosten der jetzigen Reform konnte Hartinger-Klein nicht beziffern - das sei eine Entscheidung der Selbstverwaltung der Kassen, meinte sie. Für die nächste Tage kündigte sie einen Erlass an, welche Kosten hier einberechnet werden sollen. Sie nannte hier bereits Personalkosten, Überstunden, Ausbildung und Schulung, externe Berater, Übersiedlung und EDV. Das Geld dafür müsse bei der ÖGK jedenfalls von den Gebietskrankenkassen kommen.

"Im schlimmsten Fall" Aufhebung von Teilen der Reform durch Höchstgericht

Die Sozialministerin und der ÖVP-Klubobmann bekräftigten, dass man zum Wohle der Patienten die Strukturen schlanker machen und damit Bürokratie abbaue. Es handle sich um ein "Leuchtturmprojekt". Das Ziel sei mehr Gerechtigkeit und gleiche Leistungen für gleiche Beiträge innerhalb eines Trägers. Aus den 21 leitenden Angestellten und 20 Chefärzten würden künftig jeweils fünf.

Bezüglich der angekündigten Verfassungsbeschwerden gegen die Reform gaben sich die beiden Vertreter der Regierungsparteien gelassen. Man habe selbst von Experten alles prüfen lassen. Die gesamte Reform sei keinesfalls gefährdet, im schlimmsten Fall würden einige Teile vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

In dem verkleinerten neuen Dachverband werden sich die neuen Gremien erst am 15. April konstituieren. Tatsächlich aufnehmen werden die neuen Träger ihre Arbeit am 1. Jänner 2020.

(APA)

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