Der österreichische Verfassungsschutz, das BVT, ist wegen der BVT-Affäre bis heute in seinem Handlungsspielraum eingeschränkt. Laut einer Zeugenaussage von BVT-Direktor Peter Gridling ist das BVT in den Arbeitsgruppen des Berner Clubs "nicht vertreten".
BVT-Chef Peter Gridling hat bei der Verhandlung zur Unterlassungs- und Widerrufsklage von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) gegen die Liste "Jetzt" für eine Überraschung gesorgt. Er sagte als Zeuge aus, dass das BVT noch immer nur eingeschränkt Partner beim Berner Club, dem Netzwerk europäischer Inlandsgeheimdienste, sei. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte im Zuge der BVT-Affäre im Frühjahr 2018 eine Suspendierung gedroht.
Die Zeugenaussage Gridlings im Handelsgericht Wien erfolgte freilich vor dem Hintergrund des eigentlichen Klagsgegenstandes: Die Liste "Jetzt", vertreten durch den Abgeordneten Peter Pilz, hatte kundgetan, dass sie Kickl infolge seiner Rolle im Rahmen der Hausdurchsuchung in Räumlichkeiten des BVT als "Gefahr für die öffentliche Sicherheit" sieht. Kickl - er ließ sich durch Anwalt Niki Haas vertreten - hat daraufhin auf Unterlassung und Widerruf geklagt. Ende April soll das Urteil schriftlich vorliegen.
Zurück zu Gridling. Zum Beweisthema und der Frage, ob sich die BVT-Affäre für den österreichischen Verfassungsschutz negativ ausgewirkt habe, wurde der BVT-Chef von Pilz-Rechtsvertreter Mark Tuttinger zum Berner Club befragt. Gridling erklärte, dass man im Vorjahr die zu befürchtende Suspendierung durch "vertrauensbildende Maßnahmen" abwenden konnte. Unter anderem hatte sich das BVT aus allen Arbeitsgruppen zurückgezogen und hätte im Herbst 2018 wieder beitreten sollen. Dann sei aber von der Wiener Stadtzeitung "Falter" ein internes Papier veröffentlicht worden, welches sich erneut negativ auf das BVT ausgewirkt habe. Aus dem Papier ergab sich, dass der Geheimdienst eines europäischen Landes einen Informationsfluss an Österreich nicht haben wollte. Das Bekanntwerden des Papiers habe international erst recht für Irritationen gesorgt.
"BVT nach wie vor Mitglied"
"Wir sind aber nach wie vor Mitglied im Berner Club", sagte Gridling. Es gebe auch keinen Ausschluss des BVT aus dem Informationsfluss, sagte Gridling, fügte aber an, "dass es jedem Mitglied obliegt, wie weit es mit anderen Mitgliedern zusammenarbeitet. Da kann es Einschränkungen geben". Gridling abschließend: "Den Status ,Rückzug´ haben wir beibehalten."
Pilz wertete diese Neuigkeiten in einer Verhandlungspause als faktischen Rausschmiss: "Wir sind draußen. Europäische Partnerdienste sehen Österreich als Sicherheitslücke in Richtung Rechtsextreme und Russland. Deswegen sind wird blind und taub. Wir sind vollkommen isoliert."
Details über den Berner Club und dessen Mitglieder sowie das Kommunikationsnetz Neptun wollte Gridling im Hinblick auf die nationale Sicherheit nicht preisgeben, weil er vom Innenministerium nur partiell von der Amtsverschwiegenheit entbunden worden sei.
Richter Christian Mosser verwies dann aber darauf, dass der Berner Club einen eigenen Wikipedia-Eintrag habe. Dieser sei erst kürzlich aktualisiert worden.
Konservative auf Distanz zu Kickl
Die Nachricht von nach wie vor eingeschränkter Zusammenarbeit des BVT mit den europäischen Partnerdiensten kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem unter europäischen konservativen Politikern die Bereitschaft der Zusammenarbeit mit dem FPÖ-geführten Innenministerium schwindet. Am Wochenende hatte etwa der deutsche CDU-Europapolitiker Elmar Brok gemeint: "Wir müssen uns insbesondere in Deutschland fragen, welche sicherheitsrelevanten Daten mit einem Innenminister der FPÖ geteilt werden können, der einst Vorträge vor diesen rechten Kadern gehalten hat."
Hintergrund von Broks Aussagen seien der "Bild"-Zeitung zufolge "Kontakte des Rechtspopulisten (Kickl, Anm.) zur Rechts-außen-Bewegung der Identitären". Konstantin Kuhle, Innenexperte der deutschen Liberalen (FDP), forderte ebenfalls eine Prüfung dessen, "ob weiterhin sicherheitsrelevante Informationen mit Österreichs Innenminister geteilt werden können".
(m. s./red.)