Identitäre: Freiheitliche widersetzen sich Kurz

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Oberösterreichs FPÖ-Chef spricht von linkem Fanatismus, der Grazer FPÖ-Chef sieht keinen Grund für Distanz. Aufregung gab es um Sperrvermerke beim Heer.

Die Aufforderung von Kanzler Sebastian Kurz, sich von den Identitären zu distanzieren, führt bei den Freiheitlichen zu gegenteiligen Reaktionen. „Ich sehe keinen Grund, mich von irgendetwas zu distanzieren“, sagt der Grazer FPÖ-Chef, Mario Eustacchio in der „Kleinen Zeitung“. „Ich wundere mich über die Vorwürfe, die ja keine Grundlagen haben. Es ist niemand verurteilt.“

Eustacchio war 2015 bei einer Demonstration in Spielfeld dabei, die von den Identitären organisiert worden war. „Ja, die Gruppe vertritt Positionen, die manchen nicht passen, etwa die traditionellen Geschlechterrollen oder das Verhindern von zu viel Einwanderung“, sagt er heute. Und ja, er könne das alles unterschreiben. An seinem Gemeinderat Heinrich Sickl hält er fest. Dieser vermietet seit Jahren ein Büro an die Identitären – „als Privatmann“, wie er stets betont hat. Sickl bleibt FPÖ-Gemeinderat, der Mietvertrag aufrecht.

Manfred Haimbuchner spricht von „linker Mafia"

Auch Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner meldete sich zu Wort. Immerhin geht es in der Debatte auch um mögliche Verbindungen der Identitären zu Funktionären in seinem Bundesland. In der „Tiroler Tageszeitung“ sagt Haimbuchner: „Dieser Skandalisierungsversuch von linker Seite geht mir auf die Nerven. Was sich hier abspielt, ist Gesinnungsfanatismus gegenüber allem, was nicht links ist.“ Und weiter: „Der Kanzler sollte sich nicht von der linken Meinungsmafia instrumentalisieren lassen.“ Es gebe klare Beschlüsse: „Wer Mitglied oder Funktionär der FPÖ ist, darf kein Mitglied oder Funktionär bei den Identitären sein. Es gibt auch keine organisatorischen oder finanziellen Verbindungen.“ Dass die meisten Anhänger der Identitären formal keine Mitglieder sind, sich aber in anderer Form engagieren, würde daran nichts ändern. Wer bei Demonstrationen mitmarschiere, müsse mit Konsequenzen rechnen, meint Haimbuchner im Ö1-Morgenjournal.

Gleichzeitig warnt er vor "Vorverurteilungen". Die Bürgerrechte müssten für alle gelten, auch wenn einem eine Meinung nicht passe. "Ich habe keinen Grund, mich groß von allem Möglichen zu distanzieren, weil ich keine Gemeinsamkeiten habe", sagt Haimbuchner.

Haimbuchner sieht keinen Graben zwischen der Landes-FPÖ und den Linzer Freiheitlichen. Auch wenn es nicht "gescheit" gewesen sei, dass der Büroleiter des Linzer FPÖ-Chefs an einer Identitären-Demo teilgenommen habe. Dass ein Referent der Landes-FPÖ an dem Rechtsaußen-Magazin "Info-Direkt" beteiligt ist, sieht Haimbuchner nicht als Problem. Auf der Homepage von "Info-Direkt" gibt es Sympathie-Bekundungen für Identitären-Chef Martin Sellner.

Identitäre beim Heer: Sperrvermerke wieder in Kraft

FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek wiederum setzte gestern die Sperrvermerke im Bundesheer erneut in Kraft. Das Bundesheer hatte zuvor den Umgang mit Soldaten, die Mitglieder oder Unterstützer der Identitären Bewegung sind, gelockert: Somit genügte die Mitgliedschaft bei den Identitären allein nicht mehr für einen Sperrvermerk. Diese dienen dazu, Soldaten für bestimmte Tätigkeiten im Bundesheer zu sperren. Laut Peter Pilz sind 56 Miliz- und sieben Berufssoldaten sowie bis vor Kurzem sieben Grundwehrdiener Identitäre. Insbesondere die steirische FPÖ sei „Identitären-verseucht“, so Pilz.

„Wir wissen genau, wer diejenigen sind“, sagt Bundesheer-Sprecher Michael Bauer zur „Presse“. Das Abwehramt habe diese Personen im Auge. Eine Entlassung aufgrund der Gesinnung sei aber dienstrechtlich schwierig, es drohten Arbeitsrechtsprozesse. Den Sperrvermerk erklärt Bauer so: Dessen Lockerung sei aufgrund des Freispruchs der Identitären beim Prozess im Vorjahr zustande gekommen.

Die Linzer Hagenstraße 20 ist indes um einen Adressaten reicher: Wie am Donnerstag bekannt wurde, ist in der dortigen Villa, in der die Identitären ein Zentrum betreiben, ein weiterer FPÖ-naher Verein gemeldet: die Akademische Burschenschaft Markomania zu Linz. Deren Kassier war bis Jänner 2019 der FPÖ-Bundesrat Michael Schilchegger*. Die Auswirkungen der Debatte zeigen sich übrigens schon - in dem aktuellen Vertrauensindex von APA/OGM: Die Freiheitlichen sinken in dem Ranking.

Am Donnerstagabend berichtete die „Kleine Zeitung“ auch von einer außergerichtlichen Einigung: Der jetzige Chef der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, verpflichtete sich als 17-Jähriger zu 100 Stunden Hilfsarbeiten auf dem jüdischen Friedhof in Baden. Zuvor war er verdächtigt worden, Hakenkreuz-Aufkleber auf eine Synagoge angebracht zu haben.

* Update vom 16. Mai 2019: FPÖ-Bundesrat Michael Schilchegger war und ist nicht Kassier des Vereins „Akademische Burschenschaft Markomania zu Linz“. Als solcher schien er zwar im Vereinsregister zu jenem Zeitpunkt auf, als die „Presse“ diesen Artikel recherchierte – wurde dort aber ohne sein Wissen eingetragen, wie er der „Presse“ glaubhaft versicherte. Der falsche Eintrag wurde nun rückwirkend von der Vereinsbehörde korrigiert.

(APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2019)

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