Ein Auftritt für 32 Neonazi-Razzien

Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek (l.) und Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber.
Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek (l.) und Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber.APA/HELMUT FOHRINGER
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An 32 Orten wurden Wohnungen von Neonazis durchsucht. Das kommt Türkis-Blau gelegen. Es vermittelt Harmonie und eine klare Linie gegen Rechtsextremismus.

Wien. Der Auftritt war symbolträchtig. Dienstagnachmittag riefen Justiz- und Innenministerium zu einer eiligen Pressekonferenz. Der Grund: Es wurden 32 Hausdurchsuchungen in ganz Österreich in der Neonazi-Szene durchgeführt.

Die Generalsekretäre der beiden Ministerien, Christian Pilnacek und Peter Goldgruber, präsentierten die Ermittlungsergebnisse: Bereits im März 2018 hatte es in St. Barbara im Mürztal in der Steiermark ein Neonazi-Konzert gegeben. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) konnte dort Hitlergrüße und Ähnliches beobachten, was den Verdacht der Wiederbetätigung rechtfertigte.

Daraufhin kam es bei dem 29-jährigen szenebekannten Veranstalter zu einer Hausdurchsuchung. Und nun, ein Jahr später, in den Wohnungen seiner ehemaligen Gäste. Die Hausdurchsuchungen fanden außer in Tirol in allen Bundesländern statt. In den Räumlichkeiten wurden NS-Devotionalien ebenso gefunden wie unterschiedlichste Arten von Waffen bis hin zu Kriegsmaterial.

Festnahmen gab es keine. Die Personen wurden nach dem Verbots- und Waffengesetz angezeigt.

Ein günstiger Zeitpunkt

Dass die Hausdurchsuchung nun ein Jahr nach dem auslösenden Vorfall zu einem für die Regierung günstigen Zeitpunkt erfolgte, und es sich darum um Symbolpolitik handeln könnte, stellte Justiz-Generalsekretär Pilnacek in Abrede: „Man kann Hausdurchsuchungen nicht nach politischer Beliebigkeit steuern. Das hat eine entsprechend lange Vorlaufzeit“, sagte er. Die begründete er mit einem Krankenstand des zuständigen Staatsanwalts in Leoben.

Unpraktisch ist es für die auf die richtige Botschaft bedachte Regierung wohl trotzdem nicht. Nach den vergangenen turbulenten Tagen will man vermitteln: Diese Regierung ist sich im Kampf gegen Rechtsextremismus einig. Und: Die FPÖ zieht hier eine klare Trennlinie am rechten Rand.

Zuletzt hat es zwischen Türkis und Blau Auseinandersetzungen rund um die rechtsextremen Identitären gegeben. Auf dem Konto des Identitären-Sprechers Martin Sellner war eine Spende des Christchurchs-Terroristen gefunden worden. Gegen Sellner wird nun wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung ermittelt. Er bestreitet das.

Zwischen der FPÖ und den Identitären gibt es durchaus starke inhaltliche wie personelle Verflechtungen – darüber berichteten in den vergangenen Tagen auch internationale Medien. Die Nähe zwischen Partei und Identitären ist auch ein weiterer Grund, warum sich ausländische Nachrichtendienste von Österreich zuletzt distanziert hatten.

Kanzler Sebastian Kurz hat nun von seinem Koalitionspartner FPÖ eine Distanzierung von den Identitären gefordert – und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ordnete seiner Partei an, dem nachzukommen. Das geht nun nicht friktionsfrei über die Bühne – die FPÖ-Basis ist gespalten, sehen viele die Identitären doch als eine Art Vorfeldorganisation der Partei.

Strache und Kurz kommen die Hausdurchsuchungen also durchaus gelegen. Das Einschreiten symbolisiert Harmonie zwischen ÖVP und FPÖ, die sich als Dogma auferlegt haben, in der Öffentlichkeit nicht zu streiten. Dieses Image hatte in den vergangenen Tagen einige Risse bekommen.

Seltene Einigkeit

Auch dass Goldgruber und Pilnacek gemeinsam auftraten, demonstrierte seltene Einigkeit. Zwischen dem ÖVP-geführten Justizressort und dem FPÖ-geführten Innenministerium hatte es in den vergangenen Monaten mehrere Reibereien gegeben. Etwa wenn es um die Schaffung der neuen Bundesasylagentur und die Kündigung der Verträge mit NGOs wie Caritas oder Volkshilfe ging. Oder um die präventive Sicherungshaft für Asylwerber, die von Beamten als gefährlich eingestuft würden.

Ebenso haben Pilnacek und Goldgruber seit der Hausdurchsuchung im BVT im Februar 2018 ein eher spezielles Verhältnis zueinander. Justiz und Innenressort schoben sich dafür in den vergangenen Monaten immer wieder gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2019)

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