Das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR sieht in den Regierungsplänen Verstöße gegen die Flüchtlingskonvention und die EU-Qualifikationsrichtlinie.
Wien. Im Sozialausschuss des Nationalrates wird am Montag das umstrittene Sozialhilfegrundsatzgesetz, also die Neuregelung der Mindestsicherung, behandelt. Die Parlamentsparteien nominierten dazu Experten ihrer Wahl. Zum öffentlichen Hearing sind unter anderem der Sozialrechtler Wolfgang Mazal (von der ÖVP nominiert) sowie der Arbeits- und Sozialrechtler Walter Pfeil (von der SPÖ nominiert) geladen.
Anlässlich dieser Sitzung warnte das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR am Sonntag erneut vor dem Beschluss der Regierungsvorlage für ein Sozialhilfegrundgesetz, da diese sowohl gegen die Genfer Flüchtlingskonvention als auch gegen die EU-Qualifikationsrichtlinie verstoße.
Im Detail sehen die geplanten Regelungen vor, dass die komplette Sozialhilfe nur bezogen werden kann, wenn insbesondere schon ziemlich gute Deutschkenntnisse (B1-Niveau) vorhanden sind. Aus Sicht von UNHCR stellt dies für anerkannte Flüchtlinge eine versteckte Wartefrist und damit eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung dar. Die Genfer Flüchtlingskonvention wie auch die EU-Qualifikationsrichtlinie legen jedoch ganz klar fest, dass Flüchtlinge und österreichische Staatsbürger in Bezug auf Sozialhilfe gleichzubehandeln sind.
„Die Genfer Flüchtlingskonvention ist die wichtigste international gültige Rechtsgrundlage im Flüchtlingsschutz, ihre Bedeutung und Akzeptanz spiegeln sich ebenso im EU-Recht wider“, so Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich, in einer Aussendung. „Wir erhoffen uns von den Mitgliedern des Arbeits- und Sozialausschusses, diesen Rechtsvorgaben Rechnung zu tragen und die vorliegende Regierungsvorlage dementsprechend zu reparieren.“
Ebenfalls besorgniserregend sind für UNHCR die Pläne, für subsidiär Schutzberechtigte noch deutlich niedrigere Beträge bei der Sozialhilfe vorzusehen und somit ihre Integrationschancen von Beginn an zu schmälern.
UNHCR appelliert daher an die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit und Soziales, „den vorliegenden Entwurf nochmals zu überdenken und die geplante Neuregelung im Einklang mit internationalem und europäischem Recht sowie mit Blick auf eine bestmögliche Integration von allen Schutzberechtigten umzusetzen“.
„Almosenhafte“ Fürsorge
Scharfe Kritik kam auch von der Diakonie: Der Gesetzesentwurf stelle einen „massiven Rückschritt“ dar, heißt es in einer Stellungnahme, die in den vergangenen Tagen an die Abgeordneten ergangen ist. Sozialstaatliche Leistungen würden in „almosenhafte“ Fürsorge umgewandelt.
Die evangelische Hilfsorganisation befürchtet durch das Sozialhilfegesetz negative Auswirkungen auf zahlreiche Bereiche, etwa auf die Wohnsituation: „Viele Menschen können ihre Wohnung nicht im Winter heizen, müssen unter desolaten Wohnbedingungen leben.“ Massiv seien auch die Folgen für die Gesundheit. Und Kinder liefen Gefahr, sozial ausgeschlossen zu werden. (red./APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2019)