Mindestsicherung: Regierung will bei Spenden nachbessern

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ)
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ)APA/HANS PUNZ
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Daran, dass die Sozialhilfe an die Deutschkenntnisse angeknüpft wird, hält Sozialministerin Hartinger-Klein aber fest: "Dabei bleiben wir."

Der Sozialausschuss des Nationalrats hat am Dienstag den Gesetzesentwurf für das umstrittene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, also die Neuregelung der Mindestsicherung, abgesegnet. Nach einem Experten-Hearing passierte die Regierungsvorlage den Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ÖVP und FPÖ. Der Beschluss im Nationalrat ist für den 25. April geplant.

Das Gesetz soll laut Regierungsvorlage mit 1. Juni in Kraft treten. Die Länder haben dann bis Ende des Jahres Zeit für ihre Ausführungsgesetze. Die genauen Ausführungsbestimmungen sowie konkrete Sanktionen bei Missbrauch oder Arbeitsunwilligkeit müssen sie selbst festlegen.

Im Sozialausschuss war das neue Gesetz zuvor debattiert worden. Die Parlamentspartei nominierten dazu Experten ihrer Wahl. Bei dem als öffentlichen Hearing waren etwa Sozialrechtler Wolfgang Mazal (ÖVP-nominiert) und Arbeits- und Sozialrechtler Walter Pfeil (SPÖ-nominiert) geladen.

Die FPÖ schickte Elisabeth Bruckmüller vom Sozialministerium und den Verfassungsexperten Michael Schilchegger, die Liste „Jetzt“ Rechtspolitologen Nikolaus Dimmel und die Neos Ökonom Wolfgang Nagl.

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Überraschungen gab es bei den Einschätzungen der Experten allerdings keine. Die Fachleute untermauerten weitgehend die Standpunkte der Parteien, die sie entsandt hatten. Die von Türkis-Blau Nominierten verteidigten die Regierungsvorlage, jene der Opposition übten zum Teil massive Kritik.

Dimmel: „Nicht mehr auf Vermeidung von Armut ausgerichtet“ 

Die von der FPÖ entsandte Bruckmüller gab an, dass immer weniger Bezieher österreichische Staatsbürger seien. Die Ausgaben würden steigen. Der Fokus der Sozialhilfe auf Sachleistungen würde die „Treffsicherheit“ erhöhen, meinte die Sozialministeriums-Expertin, die zudem die Änderung des Sozialhilfestatistikgesetzes hervorstrich. Erstmals würde es nun verbindliche Vorgaben geben, welche Daten von den Ländern zur Verfügung gestellt werden müssten, meinte Bruckmüller.

„Jetzt“-Nominierter Dimmel ließ indes kein gutes Haar an der Regierungsvorlage. Die Sozialhilfe sei von ihrem Ziel her „nicht mehr auf die Vermeidung von Armut ausgerichtet“, vielmehr spitze sie die prekäre soziale Lage zu. Dimmel befürchtet zudem eine Verschlechterung bei den administrativen Kosten der Länder und Gemeinden. Eine weitere "Polarisierung und Verfestigung" der Armut befürchtete auch die von der SPÖ in den Ausschuss geschickte Sozialwissenschaftlerin Karin Heitzmann. Sie betonte, dass vor allem Familien mit Kindern betroffen sein würden. Pfeil, zweiter Experte der SPÖ, sprach von einer asylpolitischen „Mauer“, die die Regierung offenbar aufziehen wolle: Der Verfassungsgerichtshof und der Europäische Gerichtshof würden diese aber einreißen, prophezeite der Jurist.

Neos-Experte: Sachleistungen „zielgerichteter“ 

Der von der ÖVP entsandte Sozialrechtler Mazal meinte, dass auch die aktuelle Regelung in Sachen Armutsbekämpfung nicht "das Gelbe vom Ei" sei. Die neue Sozialhilfe bringe in mehreren Punkten einen Paradigmenwechsel. Es gebe nun keine einheitliche Mindestsicherung pro Kopf, sondern es werde verstärkt auf die Unterschiede in den Ländern Rücksicht genommen. Der Spielraum der Länder bei den Wohnkosten sei sinnvoll. Mazal sieht die Spielräume der Länder nicht problematisch: "Ich vertraue darauf, dass die Länder die Sache lösen werden."

Der von den Neos nominierte Ökonom Nagl sagte, dass man noch mehr auf Sachleistungen hätte setzen können. Diese seien „zielgerichteter, gerade im Wohnbereich“. Die vorgesehene Staffelung bei den Kindern sei ein "falsches Signal". In Sachen Deutschkenntnisse meinte Nagl, dass Anreize grundsätzlich zu begrüßen seien, es aber besser wäre, sie an die Bereitschaft und nicht an ein Sprachniveau zu koppeln. Auch die Änderung des Sozialhilfestatistikgesetzes seien "positiv" zu beurteilen. Die Daten müssten aber sowohl der Öffentlichkeit als auch der Wissenschaft zu Verfügung gestellt werden.

ÖVP-FPÖ wollen bei Spenden nachbessern

Vor Beginn des Ausschusses traten am Montag Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger vor die Medien und trugen eine Ankündigung vor: Beim neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz soll im Zusammenhang mit der Anrechenbarkeit von Spenden nachgebessert werden. "Wir werden klarstellen, dass Geldleistungen nicht angerechnet werden", sagte Hartinger-Klein.

Bei den Sachleistungen sei dies ohnehin bisher klar gewesen, meinte die Sozialministerin. Laut Wöginger sind sowohl öffentliche als auch private Spenden gemeint: "Es werden Spenden aller Art nicht eingerechnet." Bei der Knüpfung der Sozialhilfe an die Deutschkenntnisse hingegen, zeigten sich Wöginger und Hartinger-Klein unnachgiebig. "Dabei bleiben wir", erklärte die Sozialministerin.

Die SPÖ sah sich durch die Ankündigung von Nachbesserungen bei den Spenden bestätigt. Die Regierung würde die „Notbremse“ ziehen, sagte der rote Sozialsprecher Josef Muchitsch, der ankündigte, auch einen „ganz genauen“ Blick auf die Nachbesserung zu werfen. Die Neos kritisierten das „monatelange Ablenkungsmanöver“ rund um die neue Sozialhilfe. Diese würde ein wenig mehr kosten als die Mindestsicherung bisher, meinte Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Auch künftig werde die öffentliche Hand also rund 950 Millionen Euro pro Jahr für die Mindestsicherung ausgeben.

Der Hintergrund: Im Detail sehen die geplanten Regelungen vor, dass die komplette Sozialhilfe nur bezogen werden kann, wenn insbesondere schon ziemlich gute Deutschkenntnisse (B1-Niveau) vorhanden sind. Ein Passus, der nicht nur dem Flüchtlingshochkommissariat UNHCR missfällt. Letzteres ortete eine Diskriminierung, verberge sich dahinter nämlich für anerkannte Flüchtlinge eine versteckte Wartefrist. Die Genfer Flüchtlingskonvention wie auch die EU-Qualifikationsrichtlinie legen jedoch ganz klar fest, dass Flüchtlinge und österreichische Staatsbürger in Bezug auf Sozialhilfe gleichzubehandeln sind, wurde argumentiert.

Auf einen Blick

Mitte März hatte die Bundesregierung den Umbau der bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Sozialhilfe abgesegnet und eine Regierungsvorlage Richtung Parlament geschickt. Vergangene Woche trafen die Sozial-Landesräte zu einem Gespräch mit Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zusammen. Die SPÖ-Vertreter hatten sich nach der Verhandlungsrunde schwer enttäuscht gezeigt. Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach von "demonstrativer Ignoranz" und "Kaltherzigkeit" der Regierungsseite. Außerdem zweifelte er die Verfassungskonformität des Gesetzes an, dass aus seiner Sicht auch in einigen Punkten EU-rechtswidrig sei. Hartinger-Klein wiederum ortete "unglaubliche Fehlinterpretationen", die jeglicher Grundlage entbehrten und "nur zur bewussten Verunsicherung der Bevölkerung" dienten.

Zuletzt entspann sich eine Diskussion darüber, ob Spenden künftig die Sozialhilfe der Empfänger kürzten. Das Sozialministerium bestreitet dies. Für die SPÖ geht Gegenteiliges "eindeutig" aus dem Gesetzestext hervor. Einzige Ausnahmen seien sogenannte "Härtefallklauseln" oder wenn man einen "Sonderbedarf" geltend machen könne.

(APA/Red.)

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