Strache vertritt Kurz und verteidigt sich selbst

Nationalrat mit Vizekanzler Strache.
Nationalrat mit Vizekanzler Strache. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Niemand unterstütze Extremismus, versicherte der Vizekanzler in seiner Rede. Doch die SPÖ wollte ihm nicht glauben.

Wien. Die SPÖ hatte ihre Dringliche Anfrage, in der sie vor allem Beziehungen der FPÖ zu rechtsextremen Gruppen wie den Identitären anprangert, eigentlich an Sebastian Kurz gerichtet. Doch der Kanzler war am Donnerstag noch nicht wieder von seiner China-Reise zurück. Daher konnte er auch nicht beantworten, warum er weiterhin an der Koalition mit der FPÖ festhält.

Pikanterweise ließ sich Kurz von Vizekanzler Heinz-Christian Strache vertreten. Und der FPÖ-Chef bedankte sich sogleich für die „Gelegenheit, Dinge richtigstellen zu können“. Niemand, so Strache, wolle die Demokratie schwächen oder die EU zerstören. Und niemand unterstütze „Extremismus, weder rechts, links noch religiös motivierten“. Die Unterstellungen seien „haltlos“.

Zumal man sehr „klare und deutliche“ Grenzen gezogen habe. Die SPÖ müsse zur Kenntnis nehmen, dass die FPÖ mit den Identitären weder „organisatorisch noch strukturell“ etwas zu tun habe. Hier gebe es sogar einen Beschluss des FPÖ-Vorstands.

Für die Aussagen Einzelner lasse man sich nicht in „Geiselhaft“ nehmen, so Strache. Falls es einen Verdacht gebe, werde dieser überprüft. So seien nach dem „Ratten-Gedicht“ des Braunauer Vizebürgermeisters umgehend Konsequenzen gezogen worden.

Bei der SPÖ meint Strache „Nervosität angesichts der EU-Wahl“ zu spüren. Deswegen würden „Weltuntergangsfantasien“ konstruiert. „Alles, was nicht ihrer Meinung entspricht, wird radikalisiert.“

Zuvor hat Jörg Leichtfried, Vizeklubchef der SPÖ, beklagt, dass es kaum ein freiheitliches Kabinett gebe, in dem „nicht jemand drinnen ist, der im Verdacht steht, rechtsextrem zu sein“. Leichtfried nahm den Kanzler in die Pflicht. In diesem Land seien „Dämme gebrochen“, und Kurz sei am Ende dafür verantwortlich. Schließlich habe er die FPÖ in die Regierung geholt. Leichtfried beklagte die „leeren Worthülsen“: Wirkliche Konsequenzen blieben aus, die Mitarbeiter seien nach wie vor in den Kabinetten. Gegen Strache als FPÖ-Verantwortlichen brachte die SPÖ dann einen Misstrauensantrag ein.

ÖVP und FPÖ beschließen Sozialhilfe

Am frühen Nachmittag war – nach einer ebenso kontroversiellen Debatte – die umstrittene Reform der Mindestsicherung samt Rückbenennung in Sozialhilfe beschlossen worden. Daran änderte auch die von der SPÖ beantragte „namentliche Abstimmung“ nichts. ÖVP und FPÖ nützten ihre Mehrheit, die Oppositionsparteien stimmten dagegen.

Formal wurde ein Rahmengesetz beschlossen, dem die Länder Ausführungsgesetze folgen lassen müssen. Die Vorgaben sind verbindlich, Spielraum haben die Länder nur bei den Wohnkosten und bei einem Bonus für Alleinerziehende. Das Rahmengesetz sieht eine Maximalsumme in der Höhe des Nettoausgleichszulagenrichtsatzes vor, nämlich 885,47 Euro für 2019. Für Paare sind es zweimal 70 Prozent des Richtsatzes, das sind derzeit 1239,66 Euro. 300 Euro können davon jedoch abgezogen werden, und zwar dann, wenn keine Deutschkenntnisse auf Niveau B1 oder Englischkenntnisse auf Niveau C1 vorliegen. Den Ländern wird ein Wohnzuschlag von bis zu 30 Prozent ermöglicht.

Für behinderte Menschen ist zwingend ein Bonus von 18Prozent vorgesehen, Alleinerziehenden kann von den Ländern ein Plus von zwölf Prozent gewährt werden. Heizkostenzuschüsse und Spenden werden nicht gegengerechnet, eine Gewährung führt also zu keiner Kürzung der Sozialhilfe.

Bestehen bleibt die Möglichkeit der Länder, auf das Vermögen der Betroffenen zuzugreifen. Es gibt aber Ausnahmen. So soll etwa ein Auto, das zur Fahrt in die Arbeit benötigt wird, ausgenommen sein. Zudem wird ein „Schonvermögen“ von 600 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (rund 5300Euro) definiert, auf das kein Zugriff möglich ist. Zugleich wird die „Schonfrist“ für den Zugriff auf das Eigenheim bzw. die pfandrechtliche Eintragung im Grundbuch von sechs Monaten auf drei Jahre erhöht. (red./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2019)

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