"Wenn sich Holocaust wiederholt, wird es im Nahen Osten sein"

Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der Wiener Hofburg
Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der Wiener HofburgAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der in Syrien geborene Politologe Bassam Tibi warnt vor einem neuen Holocaust durch den Iran. Staatssekretärin Karoline Edtstadler will anlässlich des Gedenkens an NS-Opfer die „Fackel des 'Niemals vergessen' weitertragen".

Das alljährliche Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus durch das österreichische Parlament hat am Freitag eine deutliche neue Richtung genommen: Verantwortlich dafür war Hauptredner Bassam Tibi. Der in Syrien geborener Politikwissenschaftler sprach in der Hofburg in Wien von Antisemitismus im Islam, aber auch "von Links" und warnte vor einem neuen Holocaust im Nahen Osten durch den Iran. "Wenn man gegen Antisemitismus ist, muss man gegen alle Formen des Antisemitismus sein", betonte er vor den Spitzenrepräsentanten der Republik mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an der Spitze.

Das Problem sah er dabei im Islamismus und der in Ägypten der 1920er Jahre gegründeten Muslimbruderschaft, die heute auch in Deutschland und Österreich sehr mächtig sei. Der "New Antisemitism" werde oft als "Israel-Kritik" heruntergespielt, etwa von Labour in Großbritannien. Wenn man ihn thematisiere, komme rasch Kritik. "Der Islam fließt in meinem Blut, also wie kann man sagen, ich bin islamophob, nur weil ich den islamischen Antisemitismus kritisiere?", fragte Tibi.

 Islam-Experte Bassam Tibi
Islam-Experte Bassam Tibi APA/HELMUT FOHRINGER

Er selbst sei "als Antisemit nach Europa gekommen, als militanter sogar". Studiert habe er in Deutschland aber bei den jüdischen gelehrten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, und in den USA habe er sich in der jüdischen Community stets am wohlsten gefühlt. Tibi sprach von Anerkennung als Teil der Integration von Zuwanderern. Ihm werde sie hier als Redner zuteil, "auch vor Ihrem Bundeskanzler, den ich sehr verehre".

In Europa würden Nationalsozialisten und Rechtsradikale nicht mehr bestimmen, wo es langgeht, schloss Tibi eine neuerliche systematische Judenverfolgung aus. "Wenn sich ein Holocaust wiederholt, wird es im Nahen Osten sein", warnte er und verwies auf Atombombenpläne des Iran gegen Israel.

Sobotka: Gedenken an Verbrechen weitergeben

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sah dies in Europa ebenfalls verunmöglicht und begründete das mit Bildung, starker Demokratie und dem Gesetz. Man müsse jedoch das Gedenken an die Verbrechen im Nationalsozialismus, an das entmenschlichte Unrechtsregime, aber auch an die zögerliche Aufarbeitung nach 1945 und die lange aufrecht erhaltene Opferrolle Österreichs an die kommenden Generationen weitergeben. Gleichzeitig gelte es, sich gegen einen neuen Antisemitismus zu stellen und autoritären Parallelgesellschaften nicht Halt zu geben.

Weniger auf islamische Antisemiten, sondern auf die politischen Akteure hierzulande richtete sich die Aufmerksamkeit von Bundesratspräsident Ingo Appe (SPÖ). Er warnte vor Populisten und bedauerte, dass die Verbreitung von Angst und Hass in Österreich wieder salonfähig geworden sei. "Demokratie braucht Menschenrechte, Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit. Dazu zähle ich auch kritische Medien und Journalisten. Demokratie braucht Pluralismus und einen Dialog miteinander", unterstrich er.

Edtstadler: „Fackel des 'Niemals vergessen' weitertragen"

Karoline Edtstadler (ÖVP), Staatssekretärin im Innenministerium, erinnerte in ihrer Ansprache an die jüngsten Forschungsergebnisse zu Wissenslücken junger Österreicher zum Holocaust. "Tragen wir die Fackel des 'Niemals vergessen' weiter", sagte sie. Es gelte die Kräfte gegen Antisemitismus, Rassismus und Hass zu bündeln, "egal von welcher politischen oder religiösen Gesinnung das ausgehen mag".

Edtstadler tritt auch als Listenzweite der ÖVP bei der EU-Wahl am 26. Mai an. Ihr Auftritt bei der Gedenkveranstaltung war daher im Vorfeld auf Kritik der Opposition gestoßen. Die SPÖ sah das Parlament als Wahlkampfbühne missbraucht, viele ihrer Abgeordneter (nicht aber Parteichefin Pamela Rendi-Wagner) blieben der Veranstaltung fern.

(APA)

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