Das Vorkaufsrecht des Landes Kärnten für die ESG sei ein Entgegenkommen von Ex-Minister Grasser an Ex-Landeschef Haider gewesen, sagt ein Mitarbeiter des damaligen Verkaufsberaters Lehman Brothers.
Am 92. Verhandlungstag im Korruptionsprozess um angebliche Bestechungsgelder rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 wurde am Mittwoch einmal mehr das Vorkaufsrecht des Landes Kärnten für die Villacher Eisenbahnerwohnungen (sie stellten einen Teil der zum Verkauf stehenden Wohnungspaketes dar, zu dem auch die Buwog gehörte) erörtert. So betonte ein Mitarbeiter des damaligen Verkaufsberaters, der Investmentbank Lehman Brothers, dass es sich bei diesem Vorkaufsrecht um ein Entgegenkommen des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser an den damaligen Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) gehandelt haben.
Denn, so sagte er im Zeugenstand aus, das Recht sei nicht rechtlich verbindlich gewesen, weil es nicht mit Notariatsakt vereinbart wurde: "Uns wurde mitgeteilt, dass das politischer Wille ist, das Vorkaufsrecht Kärntens einzuhalten.“ Das Vorkaufsrecht habe sich als erschwerend für den Verkauf herausgestellt, daher habe man vorher Kärnten die ESG extra angeboten, führte er aus. Es sei jedoch bald klar geworden, dass Kärnten nicht zum von Lehman im Sommer 2003 vorgeschlagenen Preis von 120 Millionen Euro kaufen wollte: "Kärnten konnte sich Preise bei 60 bis 80 Millionen vorstellen, aber nicht bei den 120, die wir vorgeschlagen hatten."
"Quiet Period" von fünf Wochen
Offenbar aus Rücksicht auf den mittlerweile verstorbenen Kärntner Landeschef Haider wurde sogar im Verkaufsprozess eine eigene "Quiet Period", eine Stillhalteperiode von fünf Wochen vor der Kärntner Landtagswahl am 7. März 2004 eingehalten, erläuterte der Zeuge. In dieser Zeit sollte keine öffentliche Diskussion über den politisch umstrittenen Verkauf der Bundeswohnungen entstehen. "Das ist sicher nicht von uns gekommen, dieser Wunsch", so der Zeuge.
Der ehemalige Lehman-Mitarbeiter, der schon im parlamentarischen U-Ausschuss des Jahres 2012 aussagen musste, betonte vor Richterin Marion Hohenecker außerdem, dass der Verkauf der Bundeswohnungen jedenfalls ein Erfolg für die Republik gewesen sei. Das ganze Verkaufsverfahren habe aber länger gedauert als er sich damals vorgestellt hatte.
Im Verfahren zum Verkauf der Bundeswohnungen habe es wöchentliche Treffen mit den Zuständigen im Finanzministerium gegeben. Projektleiter im Finanzministerium für den Verkauf war laut dem Zeugen der frühere Kabinettschef von Grasser, Heinrich Traumüller. Weiters habe es einen "Lenkungsausschuss" gegeben, eine größere Runde, in die das Finanzministerium verschiedene weitere Teilnehmer eingeladen hatte. "Im Lenkungsausschuss saß der wesentliche Entscheidungsträger, das ist der Finanzminister gewesen", sagte der Zeuge. Dort seien dann wichtige Entscheidungen getroffen worden.
Die Vorwürfe auf einen Blick:
Causa Buwog: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 Bestechungsgeld geflossen ist (9,6 Millionen Euro). Gekommen sein soll das Geld von dem im Bieterverfahren siegreichen Österreich-Konsortium um Immofinanz und RLB OÖ – geflossen über Umwege auf diverse Konten. Die Zahlung ist seit 2009 erwiesen, offen ist die Frage: Hat der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser Informationen weitergegeben, um sich (und andere) zu bereichern? Und: Teilten sich Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech und der Lobbyist Peter Hochegger die Provision auf?
Causa Terminal Tower: Wie beim Buwog-Deal soll auch hier ein „Tatplan“ (bei Privatisierungsprojekten serienweise „mitschneiden“) befolgt worden sein. Und zwar: Grasser soll einen Teil der 200.000-Euro-Provision eingesteckt haben, die für die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer Terminal Tower geflossen sein soll.
Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, lediglich Peter Hochegger legte ein Teilgeständnis ab. Es gilt die Unschuldsvermutung.
(APA/Red.)