Kurz zu UNO-Migrationsbericht: "Lasse es nicht zu, Österreich schlechtzureden"

Symbolbild: Migranten nach der Überquerung der ungarisch-österreichischen Grenze
Symbolbild: Migranten nach der Überquerung der ungarisch-österreichischen Grenze(c) REUTERS (Leonhard Foeger)
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Das hiesige Asylverfahren weise Mängel auf, kritisiert das UN-Menschrechtshochkommissariat. Kanzler Kurz weist die Vorwürfe zurück und fordert im Gegenzug eine Prüfung aller übrigen EU-Staaten.

Es war im September, als UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet ankündigte, den Umgang Österreichs mit Migranten untersuchen zu wollen. Eine Ankündigung, die in der Republik Verärgerung auslöste. Umgehend ortete die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl eine „undifferenzierte und pauschalisierende Kritik“ am österreichischen Vorgehen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verlangte eine Erklärung, „um welche Menschenrechtsverstöße in Österreich es gehen soll“, die eine derartige Prüfung rechtfertigen würden. Denn, so gab sich der Regierungschef überzeugt, es werde rasch klar werden, dass „die Lebensbedingungen für Migranten so gut sind wie in kaum einem anderen Land der Welt“.

Derart positiv fiel die Antwort der Vereinten Nationen, die nun in Form des Endberichts des UN-Hochkommissariats OHCHR vorliegt, nicht aus. Vielmehr wird in dem 19 Seiten umfassenden Dokument die Abwicklung des Asylverfahrens ebenso beanstandet wie die Auslegung internationalen Rechts. Zwar notierten die vom 15. bis 18. Oktober nach Österreich entsandten Prüfer, dass die Republik „im Großen und Ganzen“ über ein rechtliches Schutzsystem für Migranten verfüge, doch werde dieses nicht immer adäquat umgesetzt. Mehr noch: „Einige Rechtsvorschriften und -praktiken sind nicht voll im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards und müssen in Übereinstimmung gebracht werden.“

Vorhaltungen, denen Kanzler Kurz am Donnerstag nichts abgewinnen konnte: „Wir nehmen jede Kritik sehr ernst, aber ich lasse es als Bundeskanzler nicht zu, Österreich schlechtzureden“, teilte er mit. Seit dem Jahr 2015 habe Österreich über 150.000 Flüchtlinge aufgenommen und damit pro Kopf den meisten Flüchtlingen Asyl gewährt. Der „herausragende Beitrag“ der Republik sei daher nicht abzustreiten, betonte der Regierungschef und fügte die Forderung an, dass „die UNO jetzt auch die restlichen 27 EU-Länder prüft“.

„Keine Situation des grundsätzlich Verstehen-Wollens"

Zurück zur Überprüfung der Lage in Österreich: Gespräche mit Regierungsvertretern, NGOs und Migranten hätten erhebliche Defizite im zwischenmenschlichen Umgang offenbart, heißt es im UNO-Bericht. So würden die Erstgespräche mit den Migranten im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) „oft in einer Atmosphäre des Misstrauens stattfinden“. Die Beamten würden sich zum Teil mehr darauf konzentrieren, ob ihre Gegenüber „ Dublin-Fälle“ oder „Sichere-Staaten-Fälle“ seien, denn drauf, wie man die Migranten dazu bewegen könne, ihre Situation umfassend zu schildern.

Hinzu kämen „ungerechtfertigte rassische und geschlechtliche Vorurteile“, von denen sich die Mitarbeiter oft beeinflussen ließen. Insofern bereite „die Art und Weise, wie das BFA einige Befragungen durchgeführt hat und Entscheidungen getroffen hat, Sorge“. Ein Befund, der vom Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt, geteilt wird. „Es gibt keine Situation des grundsätzlich einmal Verstehen-Wollens“, sagte er im ORF-Radio am Donnerstagmorgen. Auch ein Verstehen-Können sei zuweilen nicht gewährleistet: Als Beispiel wird der Fall eines Urdu sprechenden Mannes angeführt, dem ein Farsi-Dolmetscher zur Seite gestellt wurde. Das Ergebnis: Ein Protokoll, das der Mann unterzeichnen sollte, obgleich er den Inhalt nicht vollkommen verstand.

Der scheinbar großzügige Umgang mit der Schubhaft sorgte ebenfalls für Unverständnis. Dieses Instrument sollte nur eingesetzt werden, sofern es keine milderen Alternativen gebe, wird festgehalten. Die Praxis zeige allerdings, dass auf gelindere Mittel mehr und mehr verzichtet werde. So sei ihre Zahl zwischen 2015 und 2017 von 571 auf 348 gesunken, während sich die Zahl der Schubhaftfälle mehr als verdreifacht habe (von 1436 auf 4627 Fälle). Besonders pikant: Unter den Schubhäftlingen befänden sich auch Migranten, die Familie in Österreich hätten.

Das Ende der UNO-Punktation ist damit freilich noch nicht erreicht. Den Prüfern missfiel überdies, dass Asylbewerber in Österreich keinen grundsätzlichen Anspruch auf Rechtshilfe hätten. Zudem fehle eine grundsätzlich aufschiebende Wirkung bei Einsprüchen gegen Abschiebungen. Weiters mangle es an detaillierten Statistiken zu Schubhaft und Abschiebungen, etwa auch zur Länge der Haft. Die Einführung letzterer legen die Experten der türkis-blauen Bundesregierung schließlich ebenso ans Herz, wie eine intensivere Zusammenarbeit der einzelnen Behörden.

Anschober erhebt Vorwürfe gegen Kickl - der verteidigt Linie

Der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober (Grüne) forderte unterdessen den Kanzler auf, "eine rasche und glaubwürdige Reaktion" auf den UNO-Bericht zur "Chefsache" zu machen. "Kanzler Kurz muss garantieren, dass die nach dem Bericht erforderlichen Verbesserungen in den nächsten Monaten umgesetzt werden", teilte Anschober in einer Aussendung mit. Weiters warf er Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vor, durch die geplante Bundesbetreuungsorganisation die unabhängige Kontrolle im Asyl- und Abschiebewesen zu erschweren.

Kickl wies die UNO-Kritik am Donnerstag scharf zurück - und bekräftigte dabei seine harte Linie. Die Kritik gehe "völlig ins Leere", weil in Österreich "alle menschenrechtlichen Standards mehr als erfüllt", teilte Kickl mit. "Bei uns werden alle menschenrechtlichen Standards mehr als erfüllt und die Betreuung und die Beratung findet auf höchstem Niveau statt", sagte der FPÖ-Politiker. "Ich weiß nicht, was sich diese Damen und Herren vorstellen. Für mich ist jedenfalls klar, dass wir einen Vier- oder Fünf-Stern-Standard nicht anbieten werden", unterstrich er seine harte Linie gegenüber Asylbewerbern.

>> Bericht im Ö1-„Morgenjournal“ 

>> Link zum Bericht des Menschrechtshochkommissariats OHCHR

(hell)

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