Sellner zu Attentäter: „Wir müssen auf ein Bier gehen“

Die Kontakte zwischen dem neuseeländischen Christchurch-Attentäter und Identitären-Chef Martin Sellner waren enger als bisher zugegeben.
Die Kontakte zwischen dem neuseeländischen Christchurch-Attentäter und Identitären-Chef Martin Sellner waren enger als bisher zugegeben. REUTERS
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Die Kontakte zwischen dem neuseeländischen Christchurch-Attentäter und Identitären-Chef Martin Sellner waren enger als bisher zugegeben. Das belegen E-Mails. Außerdem: Wurde Sellner vor einer Hausdurchsuchung gewarnt, um Spuren zu vernichten?

Wien. Martin Sellner, Chef der als rechtsextrem geltenden Identitären Bewegung Österreich, hat wieder einmal Erklärungsbedarf. Er steht unter dem Verdacht, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Der Grund: Er hatte Anfang 2018 eine großzügige Spende von jenem Attentäter bekommen, der im März 2019 im neuseeländischen Christchurch Dutzende Muslime in einer Moschee erschoss. Wenige Tage danach hatte bei Sellner eine Hausdurchsuchung stattgefunden. Erste Auswertungen seines Laptops zeigen nun, dass der Kontakt doch enger gewesen sein dürfte, als Sellner zuerst eingeräumt hatte.

Die „ZiB2“ berichtete in ihrer Dienstagsausgabe vom Mailverkehr zwischen dem Attentäter und Sellner – dieser liegt auch der „Presse“ vor. In einem ersten E-Mail bedankt sich Sellner für die großzügige Spende – das hatte Sellner vorab auch stets zugegeben. Er schreibe an alle seine Unterstützer Dankesmails, habe er gemeint. Aber die Konversation geht weiter: Sellner erzählt Attentäter Brenton Tarrant von seinen gesperrten Konten und vom Druck der Linken, dem er ausgesetzt sei. Er gibt ihm auch seine persönliche E-Mail-Adresse und bietet an, ihn jederzeit kontaktieren zu können, wenn es Fragen gebe.

Und die hat Tarrant auch. Da tauscht man sich etwa über weitere Anführer rechtsextremer Gruppierungen aus. Einer davon ist Blair Cottrell. Er ist Chef der australischen rechtsextremen Aktivistengruppe United Patriots Front, der vor allem Neonazis und fundamentale Christen angehören. Cottrell wurde mehrfach verurteilt. Sellner seinerseits drückt Bewunderung für diesen aus und erzählt, dass seine Freundin, Brittany Pettibone, diesen bereits einmal interviewt hätte und dass er Cottrells Arbeit mit Interesse verfolge.

Schließlich sprechen sich Tarrant und Sellner gegenseitig Einladungen aus. „Wenn du jemals nach Australien oder Neuseeland kommst, wir haben hier Leute, die dich gern aufnehmen“, schreibt Tarrant. Und: „Kämpf den guten Kampf weiter.“ Sellner: „Es ist schön, unsere Bewegungen in Zeiten der Gefahr so geschlossen zu sehen.“ Und: „Wenn du jemals nach Wien kommst, müssen wir auf einen Kaffee oder ein Bier gehen.“

Sellner behauptet in einem Video, das er als Reaktion auf die Medienberichte veröffentlichte, dass es zu diesem Treffen aber nie gekommen sei. Und dass er jedem, der spende, Treffen anbiete. Und ja, dass er Tarrant wahrscheinlich auch getroffen hätte, wenn dieser sich gemeldet hätte. Denn wie hätte er, Sellner, vor dem Anschlag ahnen können, dass Tarrant diesen begehen werde.

Brenton Tarrant reiste in den vergangenen Jahren viel durch Europa – er war auf den Spuren der Kreuzritter und machte auch Station in Wien. Es gibt Hinweise darauf, dass er sich hier ein Auto mietete.

Der Mailverkehr mit Tarrant soll von Sellner übrigens nur wenige Stunden vor der Hausdurchsuchung gelöscht worden sein. Warum, ist fraglich. Innerhalb des BVT wird gemutmaßt, dass Sellner vor der Hausdurchsuchung gewarnt worden ist. So gab er später an, dass er sich vorher selbst bei der Polizei melden wollte – er sei kurz davor wieder zufällig über die Spende gestolpert. Außerdem hatte Sellner ein Handy in einem Blumentopf versteckt – vielleicht weil er ahnte, dass jemand danach suchen würde.

Die SPÖ verlangt diesbezüglich volle Aufklärung und hat auch eine parlamentarische Anfrage eingebracht. „Ich fordere FPÖ-Innenminister Kickl auf, dringend aufzuklären, ob Sellner möglicherweise vor der Hausdurchsuchung gewarnt wurde“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat am Mittwoch in Reaktion auf die Mails auf die laufenden Ermittlungen verwiesen. Die Vermutung, dass Sellner Teil eines rechtsextremen Netzwerks sein könnte, sei nichts Neues, darauf fußten die Ermittlungen schließlich.

Laut APA soll sich unter den Spendern für die Identitären auch ein Kabinettsmitarbeiter von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) befinden. Das gehe aus den nun publik gewordenen E-Mails zwischen Identitären-Chef Sellner und dem Christchurch-Attentäter ebenfalls hervor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2019)

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