Meinungsforscher: Wahrscheinlichkeit für Türkis-blau "gegen Null"

Das Zerwürfnis von ÖVP und FPÖ könnte im Wahlkampf weiter eskalieren und eine Neuauflage der Koalition verunmöglichen, glauben Meinungsforscher.
Das Zerwürfnis von ÖVP und FPÖ könnte im Wahlkampf weiter eskalieren und eine Neuauflage der Koalition verunmöglichen, glauben Meinungsforscher.(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Nach dem FPÖ-Supergau des Ibiza-Videos sehen die Meinungsforscher schwierige Koalitionsoptionen für die ÖVP. Der Wahlkampf könne „brutal werden“, auch zwischen den beiden Ex-Koalitionspartnern.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich mit der Neuwahl richtig entschieden, attestierten ihm die Meinungsforscher. Aber auch wenn er wohl Schaden verhindert hat, werde das künftige politische Leben für ihn nicht leichter - stellt sich doch die Frage nach einem Koalitionspartner. Die Fortsetzung von Türkis-Blau halten die von der Austria Presse Agentur befragten Experten für unwahrscheinlich. Die FPÖ muss sich auf Verluste einstellen.

Hätte Kurz nach dem Ibiza-Video und dem Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) weitergemacht wie bisher, hätte das "massiv auf ihn abgefärbt", meint der Politikberater Thomas Hofer. Der ÖVP-Chef habe diesen Schritt setzen müssen, um einen größeren Imageschaden - auch international - abzuwenden. Auch wenn die Neuwahl natürlich "ein gewisses Risiko" berge - und sich danach die Koalitionsfrage stelle. Denn die Wahrscheinlichkeit der türkis-blauen Koalition geht für Hofer "gegen Null".

Die FPÖ habe einen "Supergau" erlitten, rechnet Hofer mit Verlusten, aber nicht in dem Ausmaß wie in der ersten schwarz-blauen Phase Anfang der 2000er-Jahre. Das Ibiza-Video sei sicherlich "für viele Politikverdrossene ein schwerer Schlag, das wird nicht spurlos an der FPÖ vorübergehen". Fraglich sei, ob die ÖVP die abwandernden FPÖ-Wähler - wie 2002 - zu sich holen kann, sei die Situation doch sicherlich für manche Türkis-Blau-Fans "schwer zu verkraften". Und die Freiheitlichen werden sicherlich dagegen arbeiten, das könne "brutal werden" - und gar nicht mehr zur bisherigen "Harmonieerzählung" passen.

Grün mit Chancen auf Comeback

Der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) glaubt, dass es für Kurz "einfach keine andere Alternative gab". Mit der Ausrufung der Neuwahl habe er Chancen auf ein verbessertes Wahlergebnis. Aber das politische Agieren werde nicht einfach - falle doch die FPÖ als Koalitionspartner "völlig weg". Damit bleibe nur die SPÖ oder "Jamaika mit Pink und Grün". Wobei Bachmayer für die Grünen "allerbeste Chancen" sieht, in den Nationalrat zurückzukehren - während der Verbleib von JETZT "äußerst fraglich" sei.

Von der FPÖ seien sicherlich viele Wähler enttäuscht - und Norbert Hofer als Strache-Nachfolger habe als "Sachwalter" die "Herkulesaufgabe, eine schwer verstörte Partei zu einen und Schwung in den Wahlkampf zu bringen". Bachmayer hält es für recht wahrscheinlich, dass eigentlich im nächsten Jahr anstehende Landtagswahlen auf heuer vorgezogen werden - etwa in Wien oder im Burgenland, wo die rot-blaue Koalition ja auf der Kippe steht. Die Wiener SPÖ könne jetzt jedenfalls "guten Mutes in die Wahlen gehen".

Kurz' Reaktionszeit

Nicht wirklich einer Meinung sind die Experten hinsichtlich des Zeitpunkts von Kurz' Verkündung: Aus Hofers Sicht war die lange Wartephase zwischen Straches Rücktritt und Kurz' (an sich "sehr guter") Erklärung nicht gut. Die FPÖ werde wohl versuchen, daraus Kapital zu schlagen - etwa indem sie der ÖVP "Postenschacher" etwa um den Posten des Innenministers vorhält.

Auch der Meinungsforscher Peter Hajek lobt Kurz zwar für die "sehr gute Erzählung, die wie immer State of the Art war" - aber auch er fand die Wartezeit zu lang. Das eröffne Raum für Spekulationen und Gerüchte, den die Freiheitlichen ausnützen könnten. "Dann ist die bisher gepflegte große Einigkeit und Harmonie mit einem Schlag vorbei."

Bachmayer hingegen fand es erstaunlich, dass Kurz so rasch Stellung genommen hat. Er hätte eigentlich damit gerechnet, dass über das Wochenende die Situation parteiintern und mit Beratern besprochen wird und Kurz erst Montag seine Entscheidung bekannt gibt.

(APA)

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