Kurz' riskantes Spiel

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Sebastian Kurz will ohne FPÖ und mit Beamten bis zur Wahl regieren. Doch die Freiheitlichen könnten den Plan durchkreuzen.

Es ist zu diesem Zeitpunkt nur noch Formsache: Sebastian Kurz und Alexander Van der Bellen besprechen in der Hofburg gerade die Zukunft der Bundesregierung, als für die Freiheitlichen schon klar ist: Sie werden nicht mehr ein Teil davon sein. Im Infrastrukturministerium des jetzigen FPÖ-Chefs, Norbert Hofer, werden die Büros geräumt. Auch im Verteidigungsressort von Mario Kunasek packt man seine Sachen.

Wenige Stunden später, um 18.30 Uhr, macht es Kurz in seinem Bundeskanzleramt offiziell: „Ich werde Bundespräsident Van der Bellen die Entlassung des Innenministers vorschlagen“. Also von Herbert Kickl. Kurz wolle nun die „volle, unabhängige Aufklärung“ über die Verdachtsmomente, die das Ibiza-Video aus dem Jahr 2017 aufgeworfen hat. Zu dem Zeitpunkt, als die kompromittierenden Aufzeichnungen des damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache entstanden, war Kickl allerdings noch Generalsekretär der Freiheitlichen – und damit auch für die Parteifinanzen verantwortlich. Dass er nun das Innenressort führe, während die Causa aufgeklärt werde, sei inakzeptabel, findet Kurz.

Die FPÖ hat allerdings zuvor schon angekündigt, dass ihr gesamtes Team die Koalition verlasse, sollte Kickl seinen Posten räumen müssen. Am Montagabend kommt dann auch die offizielle Bestätigung: „Es tut mir leid, wir hätten gerne weitergearbeitet“, sagt Hofer nach einer Krisensitzung im ORF. „Wir stellen die Ämter sofort zur Verfügung.“ Damit hat Kurz ohnehin gerechnet: Bis zur Nationalratswahl (voraussichtlich Mitte September), „werden die frei gewordenen Funktionen durch Experten und Spitzenbeamte übernommen“, sagt er bei seiner Stellungnahme im Kanzleramt. Der Plan sei mit Van der Bellen bereits abgesprochen.

Personal für Ministerien gesucht

Nun muss also die Führung in den Ministerien für Inneres, Äußeres, Verteidigung, Sport, Beamte, Infrastruktur sowie Soziales neu besetzt werden. Wobei nicht jeder freiheitliche Minister durch einen unabhängigen Experten ersetzt werden muss. Einige Agenden könnten auch von ÖVP-Ministern zusätzlich übernommen werden.

Es ist ein riskantes politisches Spiel für Sebastian Kurz. Denn sein Kabinett muss nun von Teilen der Opposition toleriert werden. Gespräche dazu wurden am Montagabend sowohl im Bundeskanzleramt als auch in der Hofburg geführt. Auch Bundespräsident Van der Bellen hat immerhin Interesse an einer funktionierenden Regierung bis zur Wahl. Dem Vernehmen nach könnten Experten für Ministerposten gesucht werden, die anderen Parteien nahestehen. So könnte man sich die Unterstützung aus Teilen der Opposition sichern.

Misstrauensvotum am Montag?

Die für Montag geplante Nationalratssitzung könnte allerdings noch das Vorhaben von Sebastian Kurz durchkreuzen: Denn die Liste Jetzt kündigte einen Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler an. Das wäre an und für sich nicht bedrohlich. Doch die Freiheitlichen überlegen nun, Kurz ebenfalls ihr Misstrauen auszusprechen – als Rache für das Ende der Zusammenarbeit von Türkis und Blau. „Der Hausverstand sagt einem, dass es relativ schwer ist, von jemandem das Vertrauen zu verlangen, dem man gerade das Misstrauen ausgesprochen hat“, sagt Kickl Montagabend zur Austria Presseagentur. Auch SPÖ und Neos könnten sich dem Misstrauensvotum theoretisch anschließen. Die Chefin der Sozialdemokraten, Pamela Rendi-Wagner, wünscht sich immerhin eine reine Expertenregierung.

Unterstützt eine einfache Mehrheit im Parlament den Misstrauensantrag der Liste Jetzt, müsste der Van der Bellen den Kanzler des Amtes entheben. Damit wäre nicht das Kabinett Kurz Geschichte.

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