Van der Bellen entlässt Kickl, Kneissl bleibt in Übergangsregierung

Van der Bellen und Kurz
Van der Bellen und KurzReuters
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Der Bundespräsident enthebt Innenminister Kickl ebenso wie die übrigen freiheitlichen Regierungsmitglieder ihrer Ämter. Kanzler Kurz will noch heute eine Liste mit möglichen Übergangsministern übermitteln.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat seine Ankündigung wahr gemacht: Hatte er am Montag angekündigt, Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl vorzuschlagen, so ließ er diesen Worten am Dienstag Taten folgen. Um 12:30 Uhr traf der Regierungschef in der Präsidentschaftskanzlei ein. Ein rasches Händeschütteln folgte, dann verschwanden die beiden hinter der Tapetentür – um um 14:30 Uhr wieder hervorzutreten und den wartenden Journalisten eine Verkündung zu machen: „Meine Damen und Herren, wir betreten in diesen Tagen Neuland“, sagte Van der Bellen. „In dieser Form ist das, was zuletzt passiert ist, noch nicht da gewesen.“

Es gebe aber keinen Grund besorgt zu sein, denn es zeige sich „die Eleganz, die Schönheit unserer österreichischen Bundesverfassung“. Jeder Schritt, der nun getan werde, sei in der Verfassung verankert und das Staatsoberhaupt sei entschlossen, auf die Einhaltung jedes Details zu achten.

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Am Montag, so führte Van der Bellen sodann aus, habe ihn Heinz-Christian Strache schriftlich ersucht, ihn aus seinen Ämtern als Vizekanzler und Bundesminister zu entheben. Heute, Dienstag, habe Kurz ihn um Entlassung von Innenminister Kickl ersucht und ihm zugleich mitgeteilt, dass bei diesem Schritt die übrigen freiheitlichen Regierungsmitglieder angekündigt haben, die Koalition verlassen zu wollen. „Ich beabsichtige, allen diesen Ersuchen zu entsprechen“, sagte Van der Bellen.

Kneissl verbleibt in Übergangsregierung

Und auch einem Anliegen von Außenministerin Karin Kneissl gab Van der Bellen statt: Die ursprünglich von der FPÖ nominierte, aber offiziell parteifreie Ministerin, habe angeboten, bis zum Neuwahltermin in der Übergangsregierung zu verbleibe, so das Staatsoberhaupt. Er nehme dieses Offert an. 

Gegenüber der „Presse“ formulierte Kneissl das am Dienstag so: Sie habe stets „mit ganzer Kraft als unabhängige Expertin für die Vertretung Österreichs in aller Welt eingesetzt“. Sie pflege gute Kontakte in die unterschiedlichsten Länder, habe in der Entwicklungszusammenarbeit und der Integrationspolitik „klare Akzente gesetzt“, daher fühle sie sich „verpflichtet, meinen eingeschlagenen Kurs beizubehalten und unserem Land gerade jetzt weiterhin zur Verfügung zu stehen“.

Da damit einige Posten in der Bundesregierung frei werden, habe er Kanzler Kurz ersucht, ihm Namen von Personen vorzuschlagen, die bis zur Neuwahl die Ministerien leiten sollen, erläuterte Van der Bellen. Bei diesen Personen müsse es sich um „untadelige Expertinnen und Experten“ handeln, betonte der Bundespräsident. Insbesondere für das Innenministerium gelte es eine Person zu finden, die fachlich geeignet und parteiübergreifend geachtet werde. Um dies zu garantieren, werde er, Van der Bellen, jeden vorgeschlagenen Namen „persönlich prüfen“ und mit den Betroffenen auch Gespräche führen. 

Kurz will Namen für Übergangsminister heute übermitteln

Kurz ergänzte, dass er noch heute eine entsprechende Namensliste an den Bundespräsidenten übermitteln wolle. Außerdem betonte er: „Wir haben zweifelsohne herausfordernde Zeiten, die nicht alltäglich sind. Ich möchte aber auch festhalten, dass ich der festen Überzeugung bin, dass das bewältigbare Herausforderungen sind.“ Er habe sich vorgenommen, zwei Ziele zu verfolgen: Zum einen, „eine unabhängige, vollkommen transparente Aufklärung aller Vorwürfe“ zu gewährleisten, zum anderen, „Stabilität im Land zu gewährleisten“. Beide Ziele ließen sich am besten mit einer „handlungsfähigen Bundesregierung“ erreichen.

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Die Frage, wie sicher es sei, dass Kurz der Übergangsregierung angehören werde, beantwortete sodann Van der Bellen: „Ich denke heute über keinen Plan B nach.“ Er gehe davon aus, dass alle im Parlament vertretenen Fraktionen „sehr sorgfältig abwägen“ werde, wie mit der entstandenen Situation umzugehen sei. Es gelte nun, eine gewisse Gelassenheit, „Ruhe und Verantwortung zu zeigen“.

Stand heute gehe er jedenfalls davon aus, dass die Übergangsregierung „bis bis zur Nationalratswahl halten wird“. Nachsatz: „Man kann nicht oft genug betonen, dass es eine Übergangsregierung ist."

Auf einen Blick

Kurz vor der EU-Wahl ist am Freitag ein Video aus dem Sommer 2017 aufgetaucht, das Heinz-Christian Strache am Samstag zum Rücktritt aus all seinen politischen Funktionen bewogen hat. Der Clip, den „Spiegel" und die „Süddeutsche Zeitung" veröffentlicht haben, zeigt, wie sich der bisherige FPÖ-Obmann und Vizekanzler mit einer vermeintlichen russischen Investorin in Ibiza über Staatsaufträge für millionenschwere Spenden unterhält.

Ebenfalls am Samstag trat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die Öffentlichkeit, um aufgrund der Affäre vorgezogene Neuwahlen zu verkünden; die vermutlich im September stattfinden werden.

Am Montag folgten Gespräche zwischen Türkis-Blau, aber auch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, um auszuloten, wie bis zum Neuwahltermin weiter gearbeitet werden soll. Am Ende dieser Gespräche stand allerdings kein Konsens: Während die FPÖ an Innenminister Herbert Kickl festhielt, beharrte die ÖVP auf dessen Rücktritt. Um 18:30 Uhr verkündete Kurz sodann: Er werde Van der Bellen die Entlassung Kickls vorschlagen - Worten, denen er am Dienstag Taten folgen ließ.

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