Kurz: „Es gab keine einzige Forderung der Opposition an mich“

Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Interview
Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Interview(c) Clemens Fabry, Presse
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Er lege es nicht darauf an, am Montag abgewählt zu werden, versichert Kanzler Sebastian Kurz. Ein Gespräch über Was-wäre-wenn-Spiele, Tal Silberstein und Parteispenden.

Herr Bundeskanzler, rechnen Sie damit, dass Sie am Montag nicht mehr Bundeskanzler sind?

Sebastian Kurz: Das ist nicht meine Entscheidung, sondern die des Parlaments. Als Bundeskanzler habe ich eine klare Verantwortung in einer Phase wie dieser, nämlich alles zu tun, um für ein Maximum an Stabilität zu sorgen und sicherzustellen, dass die Aufklärung der Vorwürfe, die im Raum stehen, transparent stattfinden kann. Ich habe in enger Zusammenarbeit mit dem Bundespräsidenten beides sichergestellt. Aber die Abstimmung über das Misstrauensvotum fällt im Parlament.

Was passiert, wenn Sie am Montag gestürzt werden?

Wenn SPÖ und FPÖ gemeinsam diesem Misstrauensantrag zustimmen und mich abwählen, dann ist das zur Kenntnis zu nehmen. Aber am Ende entscheidet in Österreich das Volk, und zwar im September.

Sie rechnen damit, gestärkt zurückzukehren?

Ich lasse mich auf keine Was-wäre-wenn-Spiele ein, weil ich in dieser herausfordernden Phase für die Republik eine staatspolitische Verantwortung habe. Es geht jetzt darum, die Stabilität in der Republik aufrechtzuerhalten. Und auch sicherzustellen, dass wir auf europäischer und internationaler Ebene handlungsfähig bleiben. In Europa stehen in den kommenden Wochen viele wesentliche Entscheidungen an, etwa der Brexit. Es ist wichtig, dass Österreich in dieser Phase mit starker Stimme vertreten ist.

Fühlen Sie sich bei diesen Bemühungen ausreichend ernst genommen von der Sozialdemokratie? Zum letzten Gespräch mit Ihnen ist nicht einmal die SPÖ-Vorsitzende selbst erschienen, sondern hat einen Vertreter geschickt.

Wenn ich die Parteien zu Gesprächen einlade, können sie selbst entscheiden, wen sie entsenden. Entscheidend ist: Wie können wir sicherstellen, dass aus der Krise der Freiheitlichen Partei keine Staatskrise wird. Ich bedanke mich beim Bundespräsidenten, der besonnen und verantwortungsbewusst agiert hat.

Ist das letzte Wort bei SPÖ und FPÖ, was den Misstrauensantrag betrifft, schon gesprochen? Oder haben Sie noch Angebote für die beiden Parteien?

Es handelt sich hier um keinen Basar. Und es geht auch nicht darum, die inhaltliche Arbeit der Bundesregierung rückgängig zu machen. Denn die inhaltliche Arbeit war eine ausgezeichnete. Ich habe in den Gesprächen mit der Opposition meine drei Ziele dargelegt. Nämlich erstens, alles zu tun, um Aufklärung zu leisten.  Da geht es um die Inhalte des Videos, aber auch um die Frage, wer hinter dem Video steckt, wer es beauftragt und hergestellt hat. Zweitens habe ich mein Amtsverständnis für die Phase der Übergangsregierung dargestellt. Nämlich alles zu tun, damit sparsam mit Steuergeldern umgegangen und die Reformarbeit nicht rückgängig gemacht wird. Drittens habe ich die Einladung ausgesprochen, dass alle Klubobleute der Parlamentsparteien an den Ministerratssitzungen teilnehmen können, um ein Maximum an Einbindung sicherzustellen. 

Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Interview
Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Interview(c) Clemens Fabry, Presse

Was passiert, wenn das den Oppositionsparteien zu wenig ist und Sie am Montag abberufen werden?

Es gab keine einzige Forderung, die die Opposition an mich gerichtet hat. Daher würde es mich sehr überraschen, wenn das, was ich dargelegt habe, als zu wenig empfunden würde. Aber natürlich müssen Pamela Rendi-Wanger und Herbert Kickl ihre Entscheidung im Parlament nicht begründen. Wenn Rot und Blau gemeinsam die Abstimmung über den Misstrauensantrag vornehmen, dann haben sie eine Mehrheit und dann ist das zur Kenntnis zu nehmen, aber am Ende entscheidet das Volk bei der Nationalratswahl.

Wie soll es im September weitergehen? Gesetzt den Fall, die ÖVP wird wieder stärkste Partei. Mit wem wollen Sie regieren?

Jetzt ist nicht die Phase, über einen potenziellen Wahlausgang zu spekulieren. Mein Ziel für die Wahl ist ganz klar:Dass der Kurs der Veränderung, für den ich stehe, gestärkt wird. Ich stehe zu hundert Prozent für den inhaltlichen Kurs dieser Bundesregierung, es ist der einzig richtige Kurs für dieses Land. Aber ohne Einzelfälle, Zwischenfälle und sonstige Skandale.

Sie haben relativ schnell Tal Silberstein als möglichen Urheber des Ibiza-Videos genannt. Warum?

Ich halte das, was im Video zu sehen ist, für höchst problematisch, weil es Ideen des Machtmissbrauchs und der Korruption zeigt und ein Politikverständnis darstellt, das ich schlicht und ergreifend ablehne. Es ist extrem verwerflich, ein Video wie dieses zu beauftragen, zu produzieren und zu bezahlen. Man kann nur hoffen, dass es auch in dieser Frage möglichst schnell Klarheit gibt, wer die Verantwortlichen sind.

Haben Sie eine Vermutung?

Ja, ich habe eine ganz klare Vermutung, aber nun ist die unabhängige Justiz am Zug. Im Nationalratswahlkampf habe ich meine Erfahrungen mit Tal Silberstein, der von der Sozialdemokratie beauftragt war, gemacht. Es wurden antisemitische Facebook-Seiten produziert unter dem Label „Sebastian Kurz und die Volkspartei“ - mit dem Ziel, es uns in die Schuhe zu schieben, damit die Wähler sich von uns abwenden. Daher habe ich eine klare Haltung zu „Dirty Campaigning“.

Sie haben zuvor mehrmals für Stabilität aufgerufen. Heißt das im Umkehrschluss, dass Österreich instabilen Zeiten zusteuert, wenn Sie gestürzt werden?

Ich werde, egal in welcher Funktion ich bin, immer versuchen, meinen Beitrag zur Stabilität leisten. Daher möchte ich jetzt keine Warnungen aussprechen. Aber dass es nach den Ereignissen der letzten Tage kein Gewinn an Stabilität wäre, wenn nach dem Ausscheiden einzelner Minister nun eine Koalition aus Sozialdemokratie und Freiheitlicher Partei die ganze Regierung in die Luft sprengt, steht wohl außer Frage.

Sie wirken entspannt. Kann es sein, dass Sie es darauf angelegt haben, als Kanzler abgewählt zu werden, weil das Ihre Ausgangsposition für den Wahlkampf verbessert?

Es ist nicht der Moment für derlei taktische oder parteipolitische Überlegungen. Wenn Sie die letzte Woche ehrlich Revue passieren lassen, werden Sie feststellen, dass ich in enger Abstimmung mit dem Bundespräsidenten alles versucht habe, um Stabilität zu gewährleisten. Ich habe integre und unangreifbare Experten für die Regierung gewonnen. Ich bin auf die Oppositionsparteien zugegangen. Meine Hand ist weiter ausgestreckt.

Ausführliche Gespräche mit den Oppositionsparteien haben aber nicht wirklich stattgefunden. 

Bei allem Respekt, aber man kann doch nicht pauschal behaupten, dass all diese Gespräche nicht stattgefunden hätten. Ab dem Zeitpunkt, zu dem mir der Bundespräsident den Auftrag erteilt hat, eine Expertenregierung zu bilden, habe ich selbstverständlich mehrere Gespräche mit allen Parlamentsparteien geführt. Ich habe die SPÖ-Vorsitzende noch vor Bekanntwerden der Ministerliste über die neuen Ministernamen informiert und ich habe sie auch zu ihrer Meinung über diese Persönlichkeiten befragt.

Sollten nur Sie, nicht aber die übrigen Minister am Montag abberufen werden: Sollen diese ebenfalls aus Solidarität mit Ihnen auch den Rückzug antreten:

Mir geht es darum, dem Land zu dienen. Diese Frage werden wir klären, wenn es so weit ist.

Im Ibiza-Video war die Rede von Fördervereinen, über die am Rechnungshof vorbei Spenden an die FPÖ fließen sollten. Können Sie für die ÖVP eine solche Vorgangsweise ausschließen?    

Zu hundert Prozent.

Dieses Interview mit Sebastian Kurz wurde gemeinsam mit den Bundesländerzeitungen geführt.

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