Die Misstrauens-Party des Sebastian Kurz

Austrian Chancellor Sebastian Kurz holds a news conference in OeVP political academy in Vienna
Austrian Chancellor Sebastian Kurz holds a news conference in OeVP political academy in ViennaREUTERS
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Gut geplanter Wahlkampfauftakt oder Trotzreaktion der Volkspartei? Der scheidende Kanzler ließ sich am Montag feiern: Mit Public Viewing seiner Abwahl, Blasmusik und Bier.

Die ersten Einladungen trudelten schon zwei Tage vorher ein. Sie wurden an Unterstützer und Funktionäre geschickt, an Spitzenpolitiker und Anhänger. Busse transportierten die Gäste aus den Bundesländern nach Wien. Landeshauptmann Günther Platter flog sogar extra aus Tirol ein. Am Ende waren es laut ÖVP rund tausend Menschen, die am Montag ins Springer Schlössl, dem Sitz der Politischen Akademie, gekommen waren. Aber: wofür eigentlich? Was war das für ein Event, das sie hier besuchten? Der Wahlkampfauftakt der Volkspartei, eine Misstrauens-Party nach dem Votum gegen Sebastian Kurz? So ganz ließ sich das nicht klären. Es war wohl die türkise Variante einer „Jetzt erst recht“-Kampagne.

Die Partei wollte ihre Muskeln spielen lassen, bevor der Wahlkampf offiziell beginnen wird. Es war ein gut geplanter Abend: Mit Blasmusik, Bier, Public Viewing der Parlamentssitzung inklusive. Peter L. Eppinger, seit der vergangenen Nationalratswahl der Sprecher der sogenannten Bewegung der Volkspartei, führte durch die Veranstaltung. Auch die ersten Wahlkampfgeschenke konnte man verteilen: Türkise Luftballons, Regenschirme und Regenponchos. Möglicherweise hat die Partei allerdings auch eine bemerkenswerte Anzahl davon auf Lager. Zyniker hätten der ÖVP auch einen leichten Hang zur Übertreibung vorwerfen können. EU-Mandatar Lukas Mandl verglich die Feier scherzhaft mit dem Woodstock-Festival: „Da hat auch nicht lange wer eingeladen und es hat geregnet.“ Später wird (Noch-)Wirtschaftsministerin Margarte Schramböck an die Menge appellieren: „Wir müssen natürlich die Entscheidung des Parlaments akzeptieren“, sagt sie. „Für mich war dieser plötzliche Schulterschluss von SPÖ und FPÖ verwunderlich. Aber: „Wir werden das rocken. Jetzt ist Rock'n'Roll angesagt.“

„SPÖ und FPÖ geeint im Hass“

Als der Hauptgast des Abends eintrifft – unter heftigem Applaus und Jubelchören – werden aber auch ernstere Worte gesprochen. Aber es ist schwer für die ÖVP, sie in der Partystimmung anzuhören: „Viele tun sich schwer, die Geschehnisse der vergangenen Tage einzuordnen“, sagt Sebastian Kurz. Es herrsche „Trauer und Wut, aber auch Hoffnung für September“. Nachdem er die Koalition aufgekündigt hatte, würden nun SPÖ und FPÖ zusammenarbeiten: „Geeint im Hass gegen die Volkspartei.“ Sie hätten ein Ziel: Kurz muss weg. „Und heute ist es ihnen auch gelungen. Aber ich bin noch immer hier.“ An diesem Montag „hat das Parlament entschieden – im September entscheidet aber das Volk“, sagt Kurz. Spätestens jetzt hat der Wahlkampf also begonnen.

Dann textete die Menge „Go West“ von den Pet Shop Boys um und sang: „Steh auf, für Sebastian.“ Die Blasmusik spielte die Melodie dazu. Man wird das Lied wohl nicht zum letzten Mal hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2019)

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