Heinz-Christian Strache muss gehen – aber wohin?

REGIERUNGSKRISE: STRACHE
REGIERUNGSKRISE: STRACHEAPA/HELMUT FOHRINGER
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Solange Heinz-Christian Strache noch keine Entscheidung getroffen hat, steht vieles in der Partei still. Zieht er ins EU-Parlament ein, oder nimmt er sein Mandat doch nicht an? Es gäbe theoretisch noch eine dritte Option, die manchem Freiheitlichen gelegen käme.

Wien. An das Chaos hatte man sich in der FPÖ, so gut es eben ging, mittlerweile schon gewöhnt. Am Montag hatte man den EU-Wahlabend hinter sich gebracht, die Büros im Parlamentsklub mussten noch weiter umgeräumt werden. Aus den Ministerien war man ohnehin schon seit Tagen ausgezogen. Langsam konnte man sich wieder sortieren und beginnen, sich auf die Nationalratswahl vorzubereiten.

Doch dann kam es anders, schon wieder: Heinz-Christian Strache, symbolisch auf Platz 42 der EU-Liste gereiht, wurde von den freiheitlichen Wählern nach vorn gereiht. Er erhielt 44.750 Vorzugsstimmen – und hat damit Anspruch auf ein Mandat im EU-Parlament. Seitdem überlegt Strache, ob er seinen beruflichen Lebensmittelpunkt nach Brüssel verlegen soll.

Die FPÖ ist nun also mit einem Problem konfrontiert, das man vor einigen Wochen nicht für möglich gehalten hätte: Strache hat sich nicht vollständig aus der Politik zurückgezogen. Solange nicht klar ist, ob und welche Rolle Strache bei den Freiheitlichen spielt, können die Verantwortungen nicht verteilt werden. Ist er nun stiller Berater, der seinem Nachfolger Norbert Hofer im Hintergrund zur Seite steht? Oder bleibt er in der Spitzenpolitik und damit ein Angriffspunkt im Nationalratswahlkampf? Zuletzt meldete sich Strache Donnerstagabend zu Wort, er wolle mit Vertrauten und seiner Frau, Philippa, darüber beraten. Sie teilte ihre Meinung schon „News“ mit: „Ich persönlich finde, er sollte diesen Schritt wagen.“ Strache sei „viel zu jung, um nur zu Hause zu sitzen und sich aus der Politik zurückzuziehen und zu verabschieden“.

Und wie denkt man in der FPÖ darüber? Es gibt zwei Antworten, die man erhält, wenn man Freiheitliche nach der Zukunft Straches fragt. Die einen fühlen sich persönlich noch stark mit dem langjährigen FPÖ-Chef verbunden. Er sei gerade in einer schwierigen Situation: Vor zwei Wochen musste er aus all seinen Funktionen zurücktreten. Seine Existenz, die er mühsam aufgebaut hatte, bestehe nur noch aus Trümmern. Es sei also seine alleinige Entscheidung, ob er das Mandat nun annehme – oder eben nicht.

Die anderen sehen Straches Kommunikation allerdings auch kritisch. Die Tatsache, dass er die FPÖ intern nicht vor den Vorwürfen im Ibiza-Video gewarnt hätte, nehmen ihm einige übel. Auch jetzt leide man an der unsicheren Situation. Die Partei brauche Klarheit, wie es nun weitergehe. Wenn man im Wahlkampf einen Regierungsanspruch stellen wolle, gehe das nur ohne Strache in einer aktiven Funktion. „Er glaubt noch immer, dass die Inhalte des Videos vergessen werden, sobald die Umstände des Videos vollständig aufgeklärt sind“, sagt ein Freiheitlicher. Das sei aber nicht so.

Einig ist man sich allerdings darin, dass die FPÖ Strache viel verdankt. Ohne ihn hätte sie es nicht in die Regierung geschafft. Die hohe Anzahl an Vorzugsstimmen zeige auch, dass er noch immer Unterstützung innerhalb der Wählerschaft hat. Mit seinen Anhängern möchte man es sich vor der Nationalratswahl nicht verscherzen. Laute Kritik am ehemaligen Parteichef ist also nicht zu hören.

„Direkt-demokratisch ist er legitimiert“

Es gäbe allerdings auch eine dritte Option, auch wenn sie derzeit eher theoretisch klingt: Strache könnte aus der FPÖ austreten und das Mandat als parteifreier Abgeordneten annehmen. „Das ließe sich ja argumentieren: Direkt-demokratisch ist er ja legitimiert“, heißt es aus der Partei. Die FPÖ könnte im Wahlkampf wiederum darauf verweisen, dass Strache kein Mitglied der Freiheitlichen mehr ist. Und versuchen, sich als regierungsfähige Partei mit Hofer an der Spitze zu positionieren.

Strache muss bis zum 2. Juli verzichten, doch die Partei drängt auf rasche Klarheit. In rund drei Wochen ist ein Bundesparteitag geplant. Zum ersten Mal seit 14 Jahren findet er jedenfalls ohne Strache als Parteichef statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2019)

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