BVT-U-Ausschuss: Über Informationsflüsse, die Apokalypse und Spielfilme

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BVT-U-AUSSCHUSS: SOBOTKAAPA/ROBERT JAEGER
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Ex-Innenminister Sobotka musste erneut zu einem vermeintlichen Auftrag seines Kabinetts an BVT-Mitarbeiter Stellung beziehen. Ein früherer Referatsleiter wollte zu Rundumschlag ausholen. ÖVP-Bundesgeschäftsführer Melchior konnte sich an wenig erinnern.

Der vorletzte Tag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wartete noch einmal mit prominenten Zeugen auf - und gestaltete sich eher ÖVP-lastig: Wolfgang Sobotka, Ex-ÖVP-Innenminister und heutiger Nationalratspräsident, erschien am Dienstag ein zweites Mal, um zur Verfassungsschutzcausa Stellung zu nehmen. Nach ihm folgten der frühere Nachrichtendienst-Referatsleiter im BVT, Bernhard P., sowie der Bundesgeschäftsführer der ÖVP, Axel Melchior.

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Sobotka war bereits Anfang Mai unter anderem zu dem Vorwurf befragt worden, er habe beim BVT Vorbereitungsarbeiten für das ÖVP-Wahlprogramm in Auftrag gegeben. Zu diesem Thema musste er erneut Auskunft geben: Er dementierte abermals, eine Weisung diesbezüglich erteilt zu haben.

Sobotka hatte schon einmal zu diesem Fragenkomplex ausgesagt. SPÖ, Neos und „Jetzt“ beriefen sich auf E-Mails, in denen das Kabinett des damaligen Innenministers von einer Beamtin im BVT unter dem Stichwort „KBM-Auftrag“ (KBM für „Kabinett des Bundesministers“) Informationen für den ÖVP-Wahlkampf geordert hatte. Die frühere Leiterin der Rechtsabteilung wollte bei ihrer Befragung nicht bestätigen, dass ihre Expertise für den Wahlkampf 2017 missbraucht worden sei.

„Ich habe keinem Mitarbeiter einen Auftrag gegeben, für das Wahlprogramm etwas zu tun“, sagte Sobotka erneut aus. „Wenn es im Namen des Ministers passiert, dann ist das dezidiert als Weisung ausgewiesen“, meinte er außerdem - „wenn es nicht passiert, dann ist das Informationsbeschaffung“. Im konkreten Fall habe es sich um Fragen zur Rechtsordnung gehandelt und nicht um den Wahlkampf, beteuerte der nunmehrige Nationalratspräsident.

„Filme“ und Ibiza

Mit ÖVP-Bundesgeschäftsführer Axel Melchior und dem ehemaligen BVT-Spionagechef Bernhard P. folgten am Dienstag auf Sobotka zwei Schlüsselpersonen, wie der „Jetzt“-Abgeordnete Peter Pilz meint. Er vermutet nach der Ibiza-Affäre, dass die ÖVP bereits früher über diverse inkriminierende Videos Bescheid gewusst haben könnte - dies, so Pilz, würden SMS zwischen Melchior und P. belegen, in denen die beiden von „neuen Filmen“ sprechen. Belege hat Pilz für seine Theorie allerdings keine.

Bernhard P. war auch vor dem Ibiza-Video schon Thema im U-Ausschuss - nämlich, als es um die mutmaßlichen ÖVP-Netzwerke im Innenressort ging. P., ein früherer Mitarbeiter des ÖVP-Parlamentsklubs, soll auch während seiner Zeit im Innenministerium enge Kontakte mit politischem Personal gepflegt haben. Er zeigte sich zu Beginn seiner Befragung äußerst redselig - ehe sich dann immer wieder zu entschlagen, da er als Beschuldigter in Ermittlungsverfahren geführt werde.

Ominöse Vereine mit BVT-Beteiligung

P. startete dann mit einem Rundumschlag. Er richtete sich sowohl gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als auch gegen den Vorwurf, er sei Teil eines "ominösen ÖVP-Netzwerks". Die Vorgänge rund um das BVT seien eine "sicherheitstechnische Apokalypse". Das BVT sei durch die Hausdurchsuchung enorm geschädigt worden, ging P. auch auf die internationale Reputation ein. Dass Kooperationen, wie jene im „Berner Club“, öffentlich diskutiert würden, sei eine "sicherheitstechnische Apokalypse". "Das BVT wurde durch die Initiatoren des Putsches mit militärischer Präzision gesprengt." Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich ausländische Dienste nun anböten - aber um die Schwäche des BVT auszunützen.

Für Aufsehen während P.s Befragung sorgte dann ein ÖVP-Verein, besetzt mit gleich drei Mitarbeitern des BVT. Obmann war eben P., Kassier eine Zeit lang der ehemalige Kanzleramtsminister Gernot Blümel. In dem Verein seien neben P. auch noch der Leiter des Cyber Security Centers im Bundesamt sowie der stellvertretende Leiter der Informationsauswertung aktiv gewesen. Es handelt sich dabei um den "Heimatverein Propatria - Für Niederösterreich", der 2004 gegründet wurde und die ÖVP in Wahlkämpfen unterstützen sollte. P. betonte, der Verein sei "uralt", es existierten "keine Geldflüsse" mehr.

Spesenabrechnungen und Treffen

Auch sonst kam der ehemalige Spionageabwehr-Chef in Erklärungsnot. Etwa bei der Frage nach einem Brief an den ehemaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl. P. hatte darin "Vernetzungsarbeit" und "authentische Informationen abseits der formellen Kanäle" angeboten. P. meinte, er habe damit - ohne es zu erwähnen - anstehende Personalvertretungswahlen gemeint. Ob Anderl tatsächlich in der Personalvertretung aktiv war, habe er aber gar nicht gewusst.

Auch zu Treffen mit ÖVP-Bundesgeschäftsführer Melchior, seinerzeit im Außenministerium unter dem späteren Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) tätig, und dem ÖVP-Abgeordneten Werner Amon wurde P. befragt. Er hatte damals Kaffeehausrechnungen als Spesen für Auskunftspersonen abgerechnet, was auch Gegenstand eines Verfahrens ist. P. räumte in der Befragung am Dienstag Treffen mit dem ÖVP-Bundesgeschäftsführer ein - wie viele es waren und wo, konnte er sich aber nicht mehr erinnern.

Melchior sprach über Spielfilme

Von SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer wurde er daraufhin mit einer SMS mit dem Inhalt "Lieber Alex willst du dich mit mir treffen. Es gibt neue Filme" konfrontiert. Der Beantwortung der Frage nach dem Inhalt der Filme entschlug sich der Spionagechef mit der Begründung, in einem Verfahren der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt zu werden. Nach vier Stunden musste die Befragung von P. beendet werden, da er mit seinen langwierigen Versuchen, nicht zu antworten, das von den Fraktionen vereinbarte Zeitlimit überschritten hatte.

Mehr zu den Filmen erzählte dann Melchior: Man habe über Spielfilme gesprochen, gab er an, er habe die Treffen auch nicht dienstlich, sondern „eher privat“ gesehen. Die SPÖ wollte wissen, ob es sich bei der Information, die P. an Melchior übermittelte, um Warnungen an Kurz gehandelt haben könnte, sodass dieser gewisse Lokalitäten meide. Melchior konnte sich daran aber nicht mehr erinnern.

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