Meinl-Reisinger: „Weiß nicht, wofür Kurz steht“

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger im Gespräch mit „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak im Wiener Ringturm.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger im Gespräch mit „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak im Wiener Ringturm.(c) Stanislav Kogiku
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Beate Meinl-Reisinger will die FPÖ nicht mehr in einer Regierung sehen. Über Bobo-Phänomene, Transparenzregeln und einen Ex-Kanzler „ohne Visionen“.

Wien. Wo waren Sie am 17. Mai um 18 Uhr, als das Ibiza-Video veröffentlicht wurde? Vermutlich können Sie sich genau erinnern – Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat den Moment jedenfalls genau vor sich: Als sie bei den Medienpolitischen Tagen im Ausseerland über „Message Control“ diskutieren sollte und eine Unruhe im Saal ausbrach.

Das war der Moment, der die innenpolitische Plattentektonik verschob. Und das Interesse weg von der Bundesregierung und hin zu den Oppositionsparteien verlagerte. „Verspürt man dann eigentlich so etwas wie Genugtuung?“, fragte Rainer Nowak, der „Presse“-Chefredakteur und Moderator des „Gesprächs im Turm“, einer Diskussionsveranstaltung in Kooperation mit dem Wiener Städtischen Versicherungsverein. Immerhin zerbrach die Koalition aus ÖVP und FPÖ, und die Opposition im Parlament spielt nun wieder eine gewichtigere Rolle. Und tatsächlich, meinte Meinl-Reisinger, „als Oppositionspolitikerin, die um Aufmerksamkeit ringt, würde ich sagen: Es ist keine unangenehme Situation.“ Aber: „Der Anlass war nicht lustig.“

Meinl-Reisinger wollte daher den Worten Alexander Van der Bellens noch etwas hinzufügen. „Österreich ist nicht so“, hatte der Bundespräsident in Richtung Ausland gemeint. Und die Neos-Chefin präzisierte: „So sind wir Politikerinnen und Politiker nicht.“ In dem Video würde man „zwei Typen sehen, die offensichtlich zur Korruption bereit sind“. Gemeint sind die ehemaligen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. „Ich geniere mich für das Bild, das abgegeben wird“, sagte Meinl-Reisinger.

Die Neos, „die Dodeln“

In einem Punkt, und das war eher ungewöhnlich, wollte Meinl-Reisinger die Freiheitlichen allerdings schon in Schutz nehmen: Die angedachte versteckte Parteienfinanzierung über Vereine gehe auf ÖVP und SPÖ zurück. Daher sprach sich die Neos-Chefin für mehr Transparenz aus: „Die Parteien müssen sich verdammt nochmal der Kontrolle des Rechnungshofs unterwerfen – und nicht nur Zahlen liefern, die auf Vollständigkeit geprüft werden.“

Im Idealfall müsste man in Zukunft alle Mittel, die indirekt und direkt im Parteiumfeld fließen, transparent machen. Und wer sich nicht daran halte, sollte sanktioniert werden. Derzeit seien die Neos noch „die Dodeln, die dauernd alles offenlegen“.

Was nach dem Wahlkampf passiere, sei schwer absehbar, meinte Meinl-Reisinger. Eine Präferenz für eine Koalition (oder für ein Ministerium in ihrer Hand) wollte sie nicht äußern. „Aber ich bin der Meinung, die FPÖ hat in einer Regierung nichts verloren.“ Meinl-Reisinger appellierte jedenfalls an Nichtwähler, im September doch ihre Stimme abzugeben. „So politisch ist es lang nicht mehr zugegangen.“ Wenn man etwas ändern wollte, müsste man wählen gehen. Die EU-Wahl hätte gezeigt, dass die Neos breiter aufgestellt seien als lang angenommen. „Wir sind mehr als ein Caffè-Latte-Bobo-Phänomen.“

Und wie ist eigentlich Meinl-Reisingers Verhältnis zu ÖVP-Chef und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz? „Ich weiß nicht, wofür er steht“, sagt sie. „Es ist wie eine Hülle, wo ich nichts greifen kann.“ Sie habe den Eindruck, es werde in der ÖVP das gemacht, was gut ankomme. Visionen seien ihr nicht bekannt – „und damit tue ich mir wahnsinnig schwer“. (ib)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2019)

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