Keine grüne Alternative zu Werner Kogler

Setzt seinen Wahlkampf fort: Werner Kogler.
Setzt seinen Wahlkampf fort: Werner Kogler. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Die Spitzenkandidat-Frage ist geklärt. Wie aus der ewigen Nummer zwei eine Nummer eins wurde.

Wien. Aus heutiger Sicht kann man sich eigentlich nicht mehr vorstellen, wie Werner Kogler je von sich behaupten konnte, dass er niemand für die erste Reihe sei. Entweder war das Selbstunterschätzung oder Tiefstapelei. Jedenfalls haben die Grünen den 57-Jährigen am Freitag als Spitzenkandidaten sozusagen verlängert, von der EU- zur Nationalratswahl Ende September.

Leicht sei ihm die Entscheidung nicht gefallen, sein eben erst errungenes Mandat im EU-Parlament nicht anzunehmen, sagte Kogler angesichts von rund 70.000 Vorzugsstimmen. Doch er und die Partei hatten keine andere Wahl. Eine grüne Alternative zu Kogler gab es nicht. Seine beiden Stellvertreter in der Partei, Nina Tomaselli und Stefan Kaineder, sind zu unerfahren und unbekannt. Rudi Anschober ist ein oberösterreichisches Phänomen. Und Georg Willi hat als Bürgermeister von Innsbruck, der er ja erst seit Mai 2018 ist, zu tun.

Im Grunde hatte alles für Kogler gesprochen: Seine Bereitschaft, die Partei auf dem Tiefpunkt, also nach der Nationalratswahl 2017, zu übernehmen. Das Ergebnis bei der EU-Wahl, das nicht viel schlechter ausfiel als der Rekord im Jahr 2014 (14 bzw. 14,5 Prozent). Koglers inhaltliche Breite, die von Volkswirtschaft (die er studiert hat) über Rechtswissenschaften (die er auch studiert hat) bis hin zum Klimaschutz (worüber er ein Buch geschrieben hat) reicht.

Vor allem aber spricht Werner Kogler für sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Ehe die Grünen das Parlament verlassen mussten, zählte er dort neben Josef Cap, Herbert Kickl und Matthias Strolz zu den besten Rednern. Zu sagen hatte Kogler immer etwas, und meistens sogar sehr viel davon. Im Dezember 2010 protestierte er zwölf Stunden und 42 Minuten lang gegen die Budgetpolitik der damals rot-schwarzen Regierung. Seine Rede im Budgetausschuss begann um 13.18 Uhr und endete, ohne Pause, um zwei Uhr morgens mit den legendären Worten: „Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte.“

Wie Michael Häupl, nur steirisch

Dass er beim Reden immer wieder in den Dialekt abgleitet, wurde ihm von manchen als Schwäche ausgelegt. Mittlerweile hat er sie – neben der Hemdsärmeligkeit – zu seinem Markenzeichen gemacht. Als Person verkörpert Kogler auch die neue Bodenhaftung der Partei. Vor dem Nationalrats-Aus standen die Grünen ja unter Verdacht, die Welt und jedenfalls Österreich nach ihren moralischen Maßstäben missionieren zu wollen. Kogler dagegen ist ein Intellektueller, der auch die Sprache der nicht urbanen Schichten spricht. Wie Michael Häupl, nur steirischer. Seine Übersetzung des Wortes distressed (nach der Hypo-Pleite in Kärnten) – „Altenglisch für hinnig“ – rang sogar Herbert Kickl ein Lächeln ab.

Wegen seines losen Mundwerks wäre Werner Kogler, wie er nicht ohne Stolz erzählt, zweimal beinahe vom Gymnasium in Gleisdorf geflogen. Ehe er dort 1980 maturierte – mit Auszeichnung. Kogler war Gründungsmitglied der Grazer Grünen und Gemeinderat. 1994 wechselte er als Mitarbeiter in den Grünen Klub nach Wien, fünf Jahre später wurde er selbst Abgeordneter.

Ein grüner Fundi war Werner Kogler nie. Ein Realo aber auch nicht. Er trat stets für Vermögenssteuern ein, kann aber auch mit der ÖVP. Nach Alexander Van der Bellens Rückzug im Jahr 2008 stieg Kogler zum Chefökonomen der Grünen und schließlich zur Nummer zwei hinter Eva Glawischnig auf. Eine Nummer eins sah damals kaum jemand in ihm. Wie sich die Zeiten ändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2019)

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